"Hart aber fair" über Donald Trump "Wir werden uns noch wundern"

Düsseldorf · Frank Plasbergs Runde rätselte, was man vom künftigen US-Präsidenten Donald Trump wohl erwarten könne. Eine Antwort blieben die Gäste schuldig. Stattdessen übten sich Teile der prominent besetzten Runde in Selbstkritik.

Darum ging's: Donald Trumps Erfolg in den USA, was sonst. Frank Plasberg wollte wissen, was sein Triumph für Deutschland und Europa bedeutet. Was kann man künftig von diesem Mann erwarten? Und welche Lehren müssen deutsche Politiker und Medien aus seinem Wahlsieg ziehen?

Darum ging's wirklich: Im Moment weiß freilich niemand genau, was man von einem Präsidenten Trump zu erwarten hat. Statt im Kaffeesatzlesen versuchten sich die Gäste daher in Erklärungen seines Erfolgs und in einer Analyse der Probleme, die auch in Deutschland den Rechtspopulisten Auftrieb verschaffen.

Die Gäste:

  • Fritz Pleitgen, Journalist, ehemaliger WDR-Intendant und Ex-ARD-Korrespondent in Moskau und Washington
  • Beatrix von Storch (AfD), Mitglied des EU-Parlaments und stellvertretende Sprecherin im Bundesvorstand der AfD
  • Thomas Oppermann (SPD), Fraktionsvorsitzender der SPD im Bundestag
  • Sandra Navidi, Finanzexpertin aus den USA, Gründerin und Geschäftsführerin von BeyondGlobal
  • Christian Hacke, Politikwissenschaftler

Der Frontverlauf: Bei Frank Plasbergs Gästen herrschte mit Blick auf Donald Trump Hoffen und Bangen. Journalist Fritz Pleitgen bangte, Politikwissenschaftler Christian Hacke hoffte. "Er hat das politische Establishment im Alleingang aus den Angeln gehoben. Wer will ihn denn stoppen?", fragte Pleitgen und fügte an: "So viel Macht hat in den letzten Jahren kein amerikanischer Präsident besessen. Und das macht mich ein bisschen unruhig." Trump sei ein "ernstzunehmender Kotzbrocken, der die Probleme jetzt hoffentlich anpackt", befand hingegen Hacke. Und: "Wir werden uns noch wundern."

Ob der Mann das Amt oder eher das Amt den Mann formen werde, wie es Thomas Oppermann ausdrückte, darauf wollte sich aber niemand festlegen. Zu unberechenbar ist der künftige US-Präsident.

Schnell ging es auch um ein anderes Thema, nämlich um die Frage, wie Deutschland und Europa auf Trump reagieren sollten. Beatrix von Storch und Politikwissenschaftler Christian Hacke ließen kein gutes Haar an den deutschen Reaktionen auf die US-Wahl. Hacke beklagte das arrogante Moralisieren aus Berlin. Statt Werte vor sich herzutragen seien Interessen der Schlüssel, um zusammenzukommen, befand er.

Angesichts von Angela Merkels Glückwünsch-Rede an Donald Trump wollte sich von Storch gar die Augen reiben. Merkel habe den Amerikanern unterstellt, sie seien auf einmal keine Demokraten und Rechtsstaatler mehr, auf der anderen Seite mache sie selbst Deals mit Erdogan. "Das ist ein Armutszeugnis und absolut unwürdig für eine Kanzlerin", befand von Storch.

Oppermann und Pleitgen stellten sich gegen diese These. Oppermann befand, Trump könne diese Kritik durchaus vertragen. "Wer austeilt, muss auch einstecken können", fügte er an, machte aber klar, dass Trump der demokratisch gewählte Präsident sei und dass niemand dies anzweifle. Pleitgen fügte an, Trump habe sich "sehr, sehr negativ über Deutschland geäußert". US-Wahlkämpfe seien noch nie zimperlich gewesen, "aber dann kam Donald Trump und hat alles in den Schatten gestellt."

Mit Blick auf Deutschland wollte Frank Plasberg dann von seinen Gästen wissen, was aus dem Wahlsieg Trumps zu lernen sei. Die Antwort von Storchs fiel klar aus: die Menschen hätten das ihrer Meinung nach glattpolierte, politisch korrekte Geschwätz satt. Das gelte nicht nur für die USA, sondern auch für Deutschland. Die Bürger wollen aber etwas anderes, "die wollen einen Wechsel".

Erfrischend selbstkritische Einschätzungen

Dass die Eliten am Erfolg rechtspopulistischer Politiker wie Trump nicht unschuldig sind, dem stimmten praktisch alle in der Runde zu. Auch SPD-Politiker Oppermann gab unumwunden zu: "Dass die AfD so stark geworden ist, hat damit zu tun, dass bestimmte Dinge nicht offen diskutiert worden sind." Vor allem während der Flüchtlingskrise habe es ein Diskussionsdefizit gegeben. "Ich finde, der Bundestag hätte über diese Fragen viel offener debattieren müssen. Das ist ein Versäumnis, dass es damals gegeben hat", sagte er.

Journalist Pleitgen übte Medienkritik. An Problemthemen in der Flüchtlingskrise habe man sich nicht herangetraut, sagte er. "Wir alle sind aufgefordert, dass wir uns kritisch hinterfragen, ob wir es mit der politischen Korrektheit nicht zu sehr übertreiben", sagte er. Diejenigen, die anderer Meinung seien, dürften nicht gleich stigmatisiert werden.

Finanzexpertin Sandra Navidi appellierte an die Eliten, man dürfe die Ängste und die ökonomischen Sorgen der Abgehängten nicht einfach abtun. "Sie sehen in Amerika, wohin das führt. Das hat sich über Jahre entwickelt", warnte sie. Auch in Deutschland seien viele Menschen unzufrieden, und "wenn dir richtige Person kommt, werden sie eine Handgranate ins System werfen wollen".

Das wahrste Wort des Abends: Dazu ließ sich Beatrix von Storch hinreißen. Frank Plasberg fragte sie, ob ein Europa mit Marine le Pen als französischer Präsidentin, Geert Wilders als stärkstem Politiker in den Niederlanden und Norbert Hofer als Präsident in Österreich nicht das Europa ihrer Träume sei. Von Storch verhaspelte sich zu Beginn ihrer Antwort und sprach vom "Europa meiner Freunde" statt ihrer Träume. Im Publikum und bei den anderen Gästen erntete sie damit einige Lacher, fand die Situation selbst aber gar nicht lustig.

Fazit: Die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten hat schockiert und aufgerüttelt. Diesen Eindruck konnte man an diesem Abend von den meisten Gästen bekommen (Frau von Storch ausgenommen). "Business as usual" ist in Deutschland seither innen- wie außenpolitisch nicht mehr möglich.

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