TV-Kritik "Hart aber fair" Plasberg macht selbst die Fleischermeisterin sprachlos

Düsseldorf · Werden Fleischesser mittlerweile diskriminiert? Frank Plasberg ließ am Montag über Massentierhaltung und das Gewissen der Verbraucher diskutieren. Seine Zahlen beeindruckten selbst eine Frau, deren Betrieb pro Woche 90.000 Schweine tötet.

Wurstfabrikantin Sarah Dhem, Entertainer Jürgen von der Lippe, Sternekoch Alexander Herrmann, Grünen-Politikerin Bärbel Höhn, und die vegane Köchin Nicole Just sprachen bei Frank Plasberg darüber, ob Fleisch die neue Zigarette ist.

Wurstfabrikantin Sarah Dhem, Entertainer Jürgen von der Lippe, Sternekoch Alexander Herrmann, Grünen-Politikerin Bärbel Höhn, und die vegane Köchin Nicole Just sprachen bei Frank Plasberg darüber, ob Fleisch die neue Zigarette ist.

Foto: Screenshot/ ARD "hart aber fair"

Eine hitzige Diskussion sieht anders aus. Aber die Gesprächsrunde um Frank Plasberg zum Thema Massentierhaltung am Montagabend brachte die Forderungen vieler Konsumenten noch einmal auf den Punkt und dürfte zugleich Antworten auf alte Kämpfe zwischen Pflanzen- und Fleischessern geliefert haben:

1. Tieren in der Massentierhaltung soll es gut gehen

661 Hühner, 45, Schweine, 31 Enten, fünf Gänse, drei Schafe und drei Rinder, insgesamt 748 Tiere isst ein Deutscher durchschnittlich in 68 Lebensjahren. Diese Zahl aus Plasbergs Video-Clip ließ seine Gäste zusammenzucken. Selbst Fleischermeisterin und Vorstandsmitglied des Bundesverbandes der Deutschen Fleischwarenindustrie BVDF Sarah Dhem, war kurz sprachlos.

Es war der zündende Moment für die Sendung und für die Einigkeit der meisten Gäste: Es darf nicht so viel vom Tier im Müll landen. Eine Aussage, auf die sich, vom Spitzenkoch Alexander Herrmann über die Veganköchin Nicole Just bis hin zur ehemaligen Landwirtschaftsministerin von NRW Bärbel Höhn, alle einigen konnten. Jürgen von der Lippe befand: Hauptsache es schmeckt.

Dann kam der nächste Klassiker in der Ernährungsdiskussion, dass nämlich der Verbraucher bewusster konsumieren müsse. Fleischprodukte würden inzwischen hinter verschlossenen Türen produziert und dann vor dem Verbraucher schön drapiert, so dass er nicht mehr sieht worum es sich handelt, sagte Veganköchin Just. Und erhielt erstaunlicherweise Zuspruch von Fleischermeisterin Dhem. Die war ohnehin, gemeinsam mit Höhn, das Highlight des Abends.

Schon die Kombination: weiblich, blond, ansehnlich, Fleischermeisterin - fiel auf. Und wurde nochmals durch die Aussage zugespitzt, dass sie in ihrem Betrieb 30 Tonnen Schweinezunge pro Woche produziert. Das sind 90.000 tote Tiere wöchentlich.

Dhem gab ungewöhnlich offen zu, dass die Fleischindustrie mit ihrer Politik nur hinter verschlossenen Türen zu produzieren, einen großen Fehler machen würde. Sie räumte ein, dass das Bauernhof-Gefühl, das auf Fleischverpackungen vermittelt wird, letztlich eine Marketinglüge sei. Sie schloss sich der allgemeinen Meinung an, dass Tiere gut gehalten werden müssten. So punktete sich die Fleisch-Lobbyistin mit erfrischender Ehrlichkeit durch den Abend.

Mehr fiel eigentlich nur Bärbel Höhn auf, die als Vorsitzende des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit von Bündnis 90/Die Grünen schnell zum Publikumsliebling wurde. Mit prägnanten Beispielen machte die Politikerin Zuschauern und Gästen deutlich, wie es in der Massentierhaltung zugeht: "Ein Schwein wiegt etwa 110 Kilo und hat 0,7 Quadratmeter Platz im Stall. Ein Bett für einen Menschen hat die Maße ein Meter mal zwei Meter, da passen drei Schweine von 110 Kilo rein", rechnet Höhn und sagt dann: "Und ich sage ihnen drei Säue in einem Bett - das ist zu viel".

Eine Rechnung, die jeder am Rednerpult verstand - und die sofort für Einigkeit zum Thema Massentierhaltung führte. "Wir dürfen nicht die Tiere der Haltung anpassen, sondern wir brauchen andere Haltungsformen", war Höhns nächste Parole, der sich bis auf Fleischermeisterin Dhem alle mit großem Nicken anschlossen. Ach so: Jürgen von der Lippe befand ebenfalls, dass ein glückliches Tier am Ende des Tages besser schmeckt.

2. Die Gesetze in Deutschland müssen nachgebessert werden

Nicht unbedingt der Fleischesser selbst, aber definitiv die Massentierhaltung stand in der Sendung am Pranger. Wodurch schnell klar wurde, dass der Gesetzgeber dringend reagieren muss. Höhn forderte mehr Platz im Stall, weniger Antibiotika im Futter und eine Qualitätskennzeichnung von Fleisch ähnlich der, die es auf Eiern gibt. Spitzenkoch Herrmann sah den Bildungsauftrag in Sachen Ernährung durchaus auch bei den Schulen, die über diese Missstände informieren müssten, damit sich auch die jungen Verbraucher im Supermarkt besser entscheiden könnten.

Ach so: Und Jürgen von der Lippe sah das größte Problem am vegetarischen Essen darin, dass man es unterwegs schlecht bekommt - mal ganz abgesehen vom Geschmack natürlich.

3. Teures Fleisch bedeutet ein glückliches Tier

Für den Verbraucher der wohl hilfreichste Abschnitt des Abends war der Besuch von Nicole Merbach von der Stiftung Warentest. Sie zeigte, dass sowohl im Bratwürstchen als auch im Hackfleischtest Bioprodukte durchweg als Sieger abschnitten. Grund dafür war vor allem der Geschmack, der bei Muskelfleisch von Bio-Tieren einfach besser sei. Bio-Haltung bedeutet, dass jedes Schwein im Stall einen Quadratmeter zur Verfügung hat. In Bärbel Höhns Rechnung gesprochen, würde man dann auf zwei Tiere pro Bett kommen. Eine Formel, die Gäste und Plasberg begeisterte - und die umgerechnet auf die Kosten für den Hersteller auch nur 20 Euro mehr pro Tier ausmacht.

Die beiden wichtigsten Tipps für den Verbraucher laut Merbach: Wer gutes Fleisch kaufen will, der sollte lieber auf teure Bioware setzen, und: Hygiene in der Küche ist bei Fleischverarbeitung besonders wichtig, um sich gegen mögliche Keime zu schützen.

Jürgen von der Lippe zeigte sich im Übrigen froh, dass er genügend verdient, um sich das gute und leckere Fleisch, auch leisten zu können.

4. Auch Vegetarier und Veganer dürfen Wurst essen

Wie es sich für einen Sternekoch gebührt, leistete Alexander Herrmann seinen wichtigsten Beitrag des Abends beim Geschmackstest dreier Schinkenwurstsorten. "Respekt" war sein Qualitätsurteil für die vegetarische Alternative. "Wenn ich das esse, dann stellt sich mir die Frage, ob Wurst wirklich vom Fleisch kommen muss? Oder, ob es nicht eher ein Lebensmittel ist, dass durch eine bestimmte Textur, seinen Würzgrad und seine Konsistenz ausgemacht wird?"

Herrmann ließ diese Worte als rhetorische Frage im Raum stehen. Simpel ausgedrückt sagte der Spitzenkoch jedoch damit, dass Speisen mehr durch ihren Geschmack geprägt werden als durch das was darin steckt. Damit lieferte er endlich eine Antwort auf die ewige Diskussion, ob es ein Zeichen von Doppelmoral ist, dass sich Vegetarier und Veganer von Fleischersatzprodukten ernähren. Das konnte Nicole Just nur bestätigen. Denn eines ist für die Veganköchin klar: Die wenigsten wenden sich von Fleisch und Wurst ab, weil es ihnen nicht schmeckt. Im Gegenteil, die deftigen Geschmäcker von Braten, Döner und Königsberger Klopsen sind durch die Kindheit gelernt, und brauchen deshalb auch eine vegetarische Entsprechung.

Fazit: Beim Essen geht es längst nicht mehr nur um den Geschmack. Es ist zu einer politischen Frage geworden, die alle betrifft: Was soll in deutschen Ställen passieren? Ist es wichtig, welche zusätzlichen Inhaltsstoffe im Fleisch zu finden sind? Und ist die Veggie-Ernährung schlicht nur eine andere Art geschmacklich auf seine Kosten zu kommen? Diese Fragen sind es, mit denen sich der Verbraucher in Zukunft mehr denn je beschäftigen muss.

Alle natürlich. Bis auf Jürgen von der Lippe.

(ham)
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