Vox-Sendung "Goodbye Deutschland" Schikanen in Simpelhausen

Palma · Ach so, auf Mallorca gibt es schon andere Restaurants? Wie, das Finanzamt will Geld von mir? Auch im zehnten Jahr ist die Auswanderer-Dauerschmonzette ein Quell der Business-Weisheiten.

"Goodbye Deutschland" auf Mallorca – Jens Büchner mit neuer Freundin
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"Goodbye Deutschland" 2016: Jens Büchner zeigt seine neue Freundin

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Foto: VOX/99pro media

Natürlich lieben wir Abenteurer. Vermutlich ist das so eine Art emotionaler Kniesehnenreflex, gegen den man sich gar nicht wehren kann. Wir halten zu den Hasardeuren, wir drücken den Underdogs die Daumen, die gegen jede Wahrscheinlichkeit auch mal zu den Gewinnern zählen möchten.

Meistens jedenfalls: "Goodbye Deutschland", die bizarren Auswanderer-Schnurren von Vox, setzt diese Regel seit nun bald zehn Jahren außer Kraft: Man kommt gar nicht dazu, mit den in gleichem Maße hoffnungsvollen wie ahnungslosen Kofferpackern mitzufiebern — weil man beim Zusehen vor lauter Kopfschütteln schon nach 15 Minuten beachtliches Hirnsausen hat.

Auch nach jahrelanger "Goodbye Deutschland"-Abstinenz merkt man nach den ersten Minuten des "Viva Mallorca"-Spezials sogleich beruhigt: Bei den landesflüchtigen Simpeln ist alles noch beim Alten. Der stimmlose Stimmungssänger Jens Büchner schlingert sich durch die Aufnahmen zu seiner neuen Single (die in weiten Teilen aus den nur höchst geringfügig an einen gewissen Megahit erinnernden Zeilen "Augen zu und durch die Nacht / jetzt geht's los, und jetzt geht's ab" besteht), diverse Deutsch-Kneipiers stellen überrascht fest, dass es gar nicht mal so unanstrengend ist, auf der Baleareninsel ein gut laufendes Etablissement zu eröffnen, weil es da — Potzblitz! — schon ein, zwei, tausend andere Restaurants und Bars gibt.

Nur ein kurzes Bestaunen der Zustände in "Krümels Stadl" etwa verschaffen einem auf dem Sofa auch bei eigenen überschaubaren Wirtschaftskenntnissen sogleich die Illusion, man selbst sei im Vergleich ein ausgewiesenes Business- und Gastrogenie. Ahnt man doch — im Gegensatz zu den Gröhlkneipen-Betreibern Daniel und Krümel, dass es Anwohnern eventuell nicht so gut gefällt, wenn ihnen allabendlich von den lautstark geschmetterten Stumpfsongs die Ohren klingeln.

15 Mal wurden sie alleine in dieser Saison schon wegen Lärmbelästigung angezeigt, klagt Daniel. Auch Gastro-Kollege Sascha hat mit gänzlich unvorhersehbaren Schikanen zu kämpfen: "Du denkst, du hast ein bisschen was verdient, und dann kommt das Finanzamt." "Ach was!", ist man da als Zuschauer geneigt zu sagen, und zwar so oft, bis man sich fühlt wie eine Knollnasenfigur in einem Loriot-Zeichentrickfilmchen.

"Am Ende leben wir alle vom Geld", philosophiert Sascha, "Schalala, alles weg/Geld weg, Frau weg/Laden weg", brummsingt Mallorca-Jens sein Lied "Pleite aber sexy", und beim Betrachter setzt ein weiterer Reflex ein, auch wenn es sich natürlich schäbig anfühlt: Das beruhigende Gefühl, das eigene Leben trotz Jogginghosen weitgehend im Griff zu haben, so vergleichsweise.

Vermutlich liegt darin das simple Erfolgsrezept der Sendung. Bald ist man gar so heiterer Laune, dass man ein Trinkspiel zur Sendung erfindet: Wer immer dann ein Schnäpschen kippt, wenn irgendwer den Begriff "Worst Case" oder Gastro-Aspirantin Nina das Wort "Dunstabzugshaube" verwendet, geht garantiert nicht nüchtern ins Bett.

Beste Szene der an bizarren Momenten nicht armen Folge: Sänger Jens betritt für einen Auftritt den Krümel-Stadl, wo wegen erneuter Lärmanzeigen heute die Anlage stumm bleiben muss, und entschuldigt sich schon mal vorab bei den Gästen: "Heute mal live, tut mir leid." Und auf dem Sofa scheint einem selbst eine eigene Gesangskarriere plötzlich gar nicht mehr so unerreichbar.

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