"Germany’s Next Topmodel" Eine Terrasse! Bitte extralaut quieken!

Köln · Diese Woche schickt GNTM seine Mädchen auf eine Achterbahnfahrt der Gefühle: Juhu, wir haben ein automatisches Klo! Oh nein, jemand muss gehen, und wir sind traurig! Pro-Tipp außerdem: Bitte nie mit Teufelshörnern in die USA einreisen!

So, soll einer nochmal sagen, bei GNTM lerne man nichts fürs Leben! Am Donnerstagabend jedenfalls konnte man sich für den eigenen Alltag abschauen, wie man sich verhalten sollte, wenn einem Freunde demnächst ihre neue Wohnung zeigen.

Unfassbar, ein Badezimmer!

Oder wenn man selbst umziehen möchte und mit dem Makler eine eventuelle neue Bleibe besichtigt: Unbedingt kreischend von Zimmer zu Zimmer rennen, vor Unfassbarkeiten wie einem Badezimmer und überwältigt von der Existenz einer Terrasse bitte extralaut aufquieken!

Nach vielerlei Entbehrungen dürfen die Kandidatinnen nämlich endlich in die obligatorische Model-Villa in Los Angeles einziehen: "Alter, wir haben ein automatisches Klo!"

"Ich würde sagen, es hat sich gelohnt, hier mitzumachen", sagt Kandidatin Julia, aber gelohnt hat es sich natürlich vor allem für die Sendungsproduzenten, denn der Einzug bietet neben viel Krakeelerei endlich auch eine willkommene Gelegenheit zu exzessivem Productplacement: Uhren, Sonnenbrillen, Schmuck deutlich sichtbarer Marken liegen für die Mädchen aus, die also kreischend von einer Geschenkestation zur nächsten rennen.

"So ein Gefühl habe ich noch nie im Leben gehabt", fassungslost sich Jasmin mühsam hervor, "sowas habe ich noch nie gesehen, noch nicht einmal im Fernsehen." Was eigentlich nur aussagt, dass sie nicht sehr viel fern sieht und wohl nicht einmal die vorherigen Staffeln GNTM angeschaut hat.

Adäquate Architektur-Begeisterung kann man also lernen von GNTM. Dramaturgische Spannungsführung sollte man sich von der Sendung aber nicht unbedingt abschauen: In der Vorschau wird überdramatisch ein schlimmer, außerplanmäßiger Show-Ausschluss einer Kandidatin angekündigt, ein nie da gewesener Vorfall, der alle schier fassungslos macht.

Immer wieder werden dann im Lauf der Sendung kleinste Vorfällchen derart hochventiliert, als könnte es sich bei ihnen um das Undenkbare handeln. Das nervt um so mehr, da jedem regelmäßigen Zuschauer ohnehin völlig klar sein muss, was wohl passiert ist.

Aber gut, stellen wir uns mal ganz, ganz dumm: Erst ist Julias Modelbuch verschwunden — muss sie etwa wegen dieser unverzeihlichen Schlamperei gehen? Oder gibt es eine Diebin, die dafür hochkant fliegt? Aber nein, Fata hat die Mappe nur versehentlich verräumt.

Dann bleibt Luana bei der Einreise in die USA bei der Sicherheitskontrolle hängen, weil sie überdämlich beschlossen hatte, den legendär gestrengen Grenzbeamten mit blinkenden Teufelshörnchen auf dem Kopf entgegen zu treten. Muss sie gehen, weil sie schlicht nicht ins Land darf? Aber nein, es dauert einfach ein bisschen, und die anderen müssen genervt warten und Luana ist auch in L.A. dabei.

Wie gut, denn schon verursacht sie das nächste Drämchen: Die beiden rivialiserenden Model-Teams teilen sich nämlich die Villa, und Luana besitzt die unerhörte Frechheit, eines Nachts ins Zimmer des anderen Teams zu ziehen und dort zu schlafen - die Mädchen in ihrem Zimmer wollten nämlich schon das Licht löschen, sie aber noch wach bleiben, also lagerte sich zu den Nachteulen von Team Thomas um.

Am Morgen großes Buhei! Wird Luana also vielleicht wegen dieses illoyalen Verhaltens nach Hause geschickt? Nö, nach allerlei umständlichen Einlassungen ist alles wieder halbwegs okay.

Höhepunkt der Scheinheiligkeit

Der eigentliche, tatsächliche Schockvorfall wird dann am Ende der Sendung absehbar lange ausgewalzt: Mitfavoritin Julia muss gehen, weil ihre Gesundheit sich im Laufe der letzten Folgen immer weiter verschlechtert hatte — zuletzt kam sie gar mit einer Lungenentzündung ans Set, und da trage man als Jury natürlich Verantwortung, denn Gesundheit gehe immer vor, salbadert Heidi Klum aus dem On und Off.

Und das ist tatsächlich einer der Scheinheiligkeits-Höhepunkte des Formats GNTM, wie Youtuberin Caty Cake in einem Tweet während der Sendung gut zusammenfasst: "Ein krankes Mädchen auf nen Eisblock setzen und nackt auf Steine, ihr dann aber mal nicht ne Woche Ruhe gönnen - macht Sinn".

Denn tatsächlich muss man sich fragen, warum man die dauerkranke Julia nicht eines der tatsächlich nicht sehr gesundheitsfördernden Shootings der letzten Wochen aussetzen ließ - genug Lorbeeren in Form von ergatterten Jobs hatte sie sich schließlich verdient.

Und dann war da noch eine andere Scheinheiligkeit, die einen trotz in langen Staffeln abgebrühten GNTM-Dauerguckergemüts noch ehrlich aufregen konnte. In einem historischen Theater sollen sich die Kandidatinnen, angetan in Unterwäsche samt Strapsen, für ein Shooting selbst in Gruppen inszenieren. Nichts für Laura Franziska Blank — sie bekommt heute kein Foto von Heidi.

Luana will vor einer Popo-Ansicht einiger Konkurrentinnen posieren, einer von ihnen bindet sie die Hände mit einem BH auf den Rücken. Schokant! finden Thomas Hayo und Michael Michalsky, die das Fotoshooting leiten, viel zu anrüchig, da muss der Jugendschutz eingreifen, so ein Schweinchen, diese Luana!

Bigotter geht es wirklich nicht, denn schließlich hat man die Mädchen bei den Fotoaufnahmen der letzten Wochen jemals in wenig mehr als einem Bikini gesehen — und fordert Klum nicht selbst stets gebetsmühlenartig ein, das Posing, der Gesichtsausdruck müsse "heiß, heiß, noch heißer" sein? Vielleicht sollte man einmal. nicht nur bei den Kandidatinnen Fieber messen.

(rütz)
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