"Die Braut des Grauens" Sherlock und Watson auf Zeitreise

London · Was als Spielerei voller Insiderwitze beginnt, endet als gewagtes Experiment à la "Inception". Der Zuschauer braucht etwas Geduld, wird am Ende aber reich belohnt.

 Die neue Folge spielt in weiten Teilen im Viktorianischen London.

Die neue Folge spielt in weiten Teilen im Viktorianischen London.

Foto: dpa

60 Minuten lang ist diese zehnte Folge der heiß geliebten zeitgenössischen "Sherlock"-Adaption der BBC nichts als ein nettes, harmloses Special: Holmes (Benedict Cumberbatch) und Watson (Martin Freeman) ermitteln im London des Jahres 1895. Weshalb, weiß man nicht genau - es ist aber auch egal.

Denn es ist alles so schön urig: Gaslaternen, Hüte und alberne Bärte allüberall, Pferdekutschen statt Taxis, Telegramme statt Whats-App-Nachrichten. Kein Tweet, nirgends, nur Tweedsakkos. "Die Braut des Grauens" ist Eskapismus pur.

Und mittendrin eben das soziopathische Genie Sherlock, das diesmal nicht nur in Richtung Inspektor Lestrade ätzt ("Eine Frau jagt sich eine Kugel in den Kopf und Sie brauchen meine Hilfe bei der Ermittlung des Schuldigen?"): Sowohl Holmes als auch Watson lästern und pöbeln so munter gegenüber Angehörigen anderer Klassen, Völker und Geschlechter, dass man sich zeitweilig fühlt wie bei "Stromberg". Dazu kommen Selbstzitate und Insiderwitze in rauen Mengen - Fans der Serie sollten diese Folge zweimal sehen. Oder dreimal. Oder viermal.

Lange passt nichts zusammen

Allein: Lange passt all das nicht recht zusammen, da hilft auch der tolle Fall kaum (Sherlock: "Eine mordende Leiche, Lestrade? Sie verwöhnen uns!"), der ausnahmsweise keine Neuinterpretation aus dem Kanon von Arthur Conan Doyle ist.

Umso deutlicher sei gesagt: Bleiben Sie dran! Denn im letzten Drittel werden die offenen Enden aller losen Fäden in umso höherem Tempo miteinander verquickt.

Wie genau, soll hier nicht verraten werden, denn vom Versuch das vorauszuahnen lebt der Film. Insofern hat diese Episode wenig gemein mit jenen der Staffeln vier und fünf, die derzeit produziert werden. Das hier ist "Sherlock Holmes" mit den Mitteln von Rätselfilmen wie "Lucky Number Slevin" oder "Inception". Fans der Serie dürften das lieben - und wer es als Nicht-Fan schafft, bis zum Ende durchzuhalten, kann danach kein Nicht-Fan mehr sein.

"Sherlock - Die Braut des Grauens", Das Erste, Mo., 21.45 Uhr

(tojo)
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