Thomas Thieme im Interview Doku-Drama über die Hoeneß-Affäre

Düsseldorf · Vom erfolgreichen Manager zum verurteilten Steuerhinterzieher - in 90 Minuten fasst der ZDF-Film "Der Patriarch" (Donnerstag, 20.15 Uhr) die Geschichte rund um Uli Hoeneß zusammen: sein Aufstieg als Jungunternehmer, seine Zockerei um Millionen und sein Prozess wegen Steuerhinterziehung. Verkörpert wird er von Thomas Thieme (66), deutsche Schauspiel-Größe - und Hoeneß-Fan.

 Thieme (rechts) wartet als Hoeneß auf sein Urteil.

Thieme (rechts) wartet als Hoeneß auf sein Urteil.

Foto: ZDF/Janett Kartelmeyer

Herr Thieme, Sie spielen die Rolle eines Mannes, über den nicht nur im Gerichtssaal geurteilt wurde. Was halten Sie von Uli Hoeneß?

Thieme Ich mag den Fleischersohn aus Ulm. Er ist so zielstrebig und positiv durchs Leben gegangen. Deshalb ist er für mich kein unsympathischer Mensch.

Ist es Ihnen gelungen, Hoeneß in Gestik, Mimik und in der Tonlage nachzuahmen?

Thieme Ich glaube, das sieht ganz gut aus, was ich da mit Hoeneß gemacht habe. Eben weil ich ihn nicht kopiere. Ich wollte eine Figur kreieren zwischen ihm und mir.

Wie viel von dieser Figur ist Thomas Thieme und wie viel Uli Hoeneß?

Thieme Die Texte sind aus den Mitschriften des Gerichts, also seine Worte. Doch die Art, wie er auftritt, der emotionale Weg vom ersten Prozesstag bis zum Urteil - dieser Kreuzweg war meine Aufgabe.

War es schwierig, sich nur mit Prozess-Mitschriften vorzubereiten?

Thieme Überhaupt nicht. Ich habe mich auch nicht großartig vorbereitet. Den Grund-Habitus von Hoeneß versteht man schnell. Er ist nicht kompliziert. Und optisch bin ich ihm ja auch nicht unähnlich. Deshalb war die Optik der Figur klar, ebenso wie die Texte, die ich spreche. Man muss nur begreifen, aus welchem Gefühl heraus diese Texte zustande kamen.

Sie machen die Anspannung des Angeklagten deutlich. Haben Sie Mitleid mit dem echten Uli Hoeneß?

Thieme Ja. Wir erleben in unserer Gesellschaft einen nicht mehr nachvollziehbaren Empathie-Verlust. Es gibt immer mehr Bösartigkeit im Denken und immer mehr Brutalität im Handeln. Auch Hoeneß ist Ziel davon geworden.

Inwiefern?

Thieme Morddrohungen, Hetzparolen und all diese unfassbaren Dinge. Ich möchte damit nichts zu tun haben. Hoeneß ist für seine Taten vor Gericht gestellt worden und hat das Urteil über sich ergehen lassen. Und wenn ein Mann in meinem Alter das durchmachen muss, empfinde ich Mitleid, keine Schadenfreude.

Hoeneß' Auftritt vor Gericht - echte Demut oder reine Taktik?

Thieme Ich glaube ihm. Aber selbst wenn es anders wäre: Ich kann als Schauspieler nicht auftreten nach dem Motto "guckt mal, der verarscht euch". Damit würde ich aus Hoeneß einen Hampelmann machen. Außerdem würde es mich wundern, wenn er nicht aufrichtig war.

Warum würde Sie das wundern?

Thieme Ich halte ihn nicht für so raffiniert, sondern in dieser Situation für aufrichtig. Subtile Schauspielerei hat Hoeneß nicht im Repertoire.

Apropos Schauspielerei: In der Szene, in der Hoeneß verhaftet wird, spielen Sie einen kurzen Gefühlsausbruch, der jedoch nicht belegt ist. Kratzt das nicht an der Authentizität des Films?

Thieme Keiner kann sagen, was sich genau in seiner Villa abgespielt hat. Aber trotzdem ist es legitim, diesen Moment zu interpretieren. Das gehört zum fiktiven Teil des Films. Denn genau da merkt Hoeneß, dass alles um ihn herum zusammenbricht. Wir hatten allein von diesen paar Sekunden zehn verschiedene Varianten gedreht. Ich finde das toll. Es macht Hoeneß menschlich. Der Mann ist ja nicht aus Eisen.

Aus Eisen nicht, aber mächtig. Und mächtige Männer wie etwa Helmut Kohl spielten Sie ja auch schon. Welche Rolle passt besser zu Ihnen?

Thieme Hoeneß kam mir deutlich näher als Kohl. Ich finde Hoeneß wesentlich sympathischer, auch weil er ein Sturkopf ist. Kohl hatte immer etwas Herablassendes. Hoeneß dagegen war offen und handelte aus dem Bauch heraus.

Marcel Romahn führte das Gespräch.

(mro)
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