Zur TV-Legende mit "Ein Platz für Tiere" Grzimeks Tierleben

Frankfurt · Mit seiner Sendung "Ein Platz für Tiere" avancierte Bernhard Grzimek zur TV-Legende. Unermüdlich kämpfte er für den Schutz der Natur. Sein Privatleben aber war ein Tohuwabohu. Ein Film lotet Verdienste und Abgründe Grzimeks aus.

 Bernhard Grzimek (r) und Schauspieler Ulrich Tukur, der in dem ARD-Film Grzimek verkörpert.

Bernhard Grzimek (r) und Schauspieler Ulrich Tukur, der in dem ARD-Film Grzimek verkörpert.

Foto: dpa, sab

Für die meisten Zuschauer war Bernhard Grzimek ein freundlicher älterer Herr, der vom Fernsehstudio aus versucht, die Tierwelt zu retten. Ein engagierter Mahner, etwas onkelhaft in seiner belehrenden Art, dabei aber gleichermaßen unaufgeregt wie hartnäckig. Einer, dem fast alles gelingt, sei es als Direktor das Überleben des Frankfurter Zoos nach dem Krieg zu sichern oder die Unterschutzstellung der Serengeti voranzutreiben.

Doch der promovierte Tierarzt, der leicht stockend und in näselndem Tonfall von den Naturwundern Afrikas erzählte, hatte auch eine andere Seite. Er war ein Schwerenöter, hatte Affären, aus denen uneheliche Kinder hervorgingen, und er musste schwere Schicksalsschläge verkraften wie den Unfalltod seines Sohnes Michael und den Selbstmord seines Adoptivsohns Thomas. Von alldem erzählt der fast dreistündige Film "Grzimek", den die ARD morgen Abend zeigt - und zwar trotz der Überlänge ohne zu langweilen.

Zu verdanken ist das zum einen Ulrich Tukur, dem das Kunststück gelingt, sich ohne die geringste äußerliche Ähnlichkeit Grzimeks Charakter anzuverwandeln. Tukur verzichtet zum Glück darauf, Tonfall und Sprechweise des Tierfilmers zu übernehmen, und konzentriert sich stattdessen darauf, dessen Wesenszüge herauszuarbeiten. Das funktioniert, weil man Tukur einfach gerne zusieht, selbst wenn er das Tukur-hafte nie so ganz ablegen kann. Zum anderen hat sich Regisseur Roland Suso Richter ("Die Spiegel-Affäre") bemüht, die Brüche in Grzimeks Leben zu illustrieren, den Naturschützer in allen seinen Facetten zu zeigen. Vielleicht rasselt der Film die Biografie etwas zu starr herunter, spart aber dafür kaum etwas aus und verklärt Grzimek nicht zum fehlerlosen Helden.

Ausgeprägte Eitelkeit

Richter gelingt es vor allem, die Passion des Umweltpioniers fassbar zu machen, seine Liebe zu Tieren und zur Natur in starke, teils atemraubende Bilder umzusetzen. Wenn Grzimek und sein Sohn Michael mit der einmotorigen Dornier im Zebra-Anstrich über die Serengeti fliegen, vermittelt sich die Leidenschaft für diesen schönen Landstrich auch dem Zuschauer. Vater und Sohn waren 1958 mit dem kleinen Flieger von Deutschland nach Tansania geflogen, um dort sowohl Wildtiere zu zählen und deren Wanderwege nachzuvollziehen als auch einen Film darüber zu drehen.

Das Werk "Serengeti darf nicht sterben" gewann später einen Oscar; Grzimeks Sohn stürzte jedoch bei den Dreharbeiten mit dem Flugzeug ab. Regisseur Richter zeigt das Vater-Sohn-Verhältnis als zwar stetig wachsende Freundschaft zweier Seelenverwandter, die aber unter den Affären Grzimeks litt. Immer wieder arbeitet der Film mit Gegensätzen, kontrastiert Grzimeks moralische Integrität im Kampf für die Natur mit dessen persönlichen Schwächen.

So ging sein Sendungsbewusstsein mit einer ausgeprägten Eitelkeit einher. Grzimek, 1,93 Meter groß, meist braungebrannt, wusste um seine Wirkung auf Frauen, aber er war kaum in der Lage, eine stabile Beziehung zu führen. Nach dem Scheitern seiner Ehe mit Hildegard heiratete er 1978 seine verwitwete Schwiegertochter Erika, adoptierte auch später deren Kinder. Gesellschaftlich war das ein Affront, über den sich Grzimek nonchalant hinwegsetzte, wie er überhaupt nur sich selbst als Maßstab des Handelns akzeptierte - wenn andere nicht wollten wie er, griff er zum Mittel der Erpressung. So drohte er etwa seinem Redakteur, den Moderationsjob hinzuschmeißen, wenn ein Film über die Schlachtung von Robben nicht ausgestrahlt würde.

"Grzimek" vermittelt eine große Unmittelbarkeit der Gefühle

"Ein Platz für Tiere" hieß Grzimeks ungemein erfolgreiches TV-Format, damals mit 70 Prozent Einschaltquote ein Straßenfeger. Von 1956 bis kurz vor seinem Tod 1987 moderierte er die Sendung und brachte stets ein Tier mit, mal einen Geparden, mal einen Ochsenfrosch, mal einen Python, den er sich werbewirksam um den Hals legte. Tukur, der sich als Tierfreund bezeichnet, fürchtete sich bei den Dreharbeiten vor allem vor einem arglistigen Steppenpavian. Der Film handelt Grzimeks Sendung, für die ihm Loriot mit dem berühmten Steinlaus-Sketch ein Denkmal setzte, quasi nebenbei ab — so übervoll war dieses Leben. Auch für Grzimeks NSDAP-Vergangenheit, von ihm geleugnet, findet sich nur eine Szene.

Dafür vermittelt "Grzimek" eine große Unmittelbarkeit der Gefühle. Regisseur Richter hat nie geprobt und oft den ersten, frischesten Spielmoment eingefangen, erzählt Schauspielerin Katharina Schüttler, die im Film Erika verkörpert. Manche Szenen wirken fast improvisiert, das hervorragende Ensemble mit Barbara Auer als Hildegard und Jan Krauter als Michael trägt den melodramatischen Stoff.

Letztendlich drohte Grzimek an der Bestie Mensch zu verzweifeln. Zeit seines Lebens kämpfte er für den Schutz der Natur, begründete den Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) mit, und war doch davon überzeugt, wenig ausrichten zu können. Dabei hat er das Thema Tierschutz in die Öffentlichkeit gehoben. Grzimek starb an Herzversagen während einer Zirkusvorstellung, natürlich bei der Tigerdressur. Wie sein Sohn wurde er am Ngorongoro-Krater in der Serengeti beigesetzt. "Es ist besser, eine Kerze anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen", steht auf Grzimeks Grabstein. Sein Licht brennt bis heute.

(RP)
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