"Bauer sucht Frau" So schön kann peinlich sein

Köln · Die RTL-Serie "Bauer sucht Frau" produziert Kalauer und zahllose Klischees, trotzdem gucken viele sie regelmäßig. Auch unser Autor ist begeisterter Zuschauer und kann sich einmal in der Woche vor dem Fernseher fremdschämen.

Bauer sucht Frau: Diese Paare sind noch zusammen
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Das wurde aus den Paaren bei „Bauer sucht Frau“

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Foto: RTL/Markus Nass

Was der Bauer nicht kennt, das frisst er ausnahmsweise doch, denn Iris hat beim Chinesen um die Ecke Süßsaures eingekauft. So schaut Bauer Uwe nun auch. Er sitzt in der Küche neben seinem Vater, der in jeder Hand unbeholfen ein Essstäbchen jongliert, dass man ihm entweder Trost oder eine Schulung zukommen lassen möchte. Auch dem Uwe flutscht vieles aufs Schälchen zurück, doch er ist tapfer; man müsse, sagt er, offen sein für Neues, und wie er das sagt, hat es etwas Rührendes.

Man wünscht dem Uwe ja, dass sein Männerhaushalt aufgemöbelt wird, und zwar in jeder Hinsicht. Uwe ist kein telegener Bachelor, sondern ein Bauer vom Dorf, den manche als sehr einfach gestrickt bezeichnen würden, aber er hat eine bestrickende Offenheit, und in seinen besten Momenten sagt er mit aufrichtigster Schüchternheit über Iris' Parfüm: "Die Iris riecht verhältnismäßig gut." Er meint das sehr ernst und als Kompliment. Mehr bekommt er in den nächsten Minuten kaum raus. Solche Sätze kann man am Set aber auch nicht mehrfach aufnehmen, da reicht ein Take, und der ist kein Fake.

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Das sind die Kandidaten 2019 von „Bauer sucht Frau“

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Foto: RTL/TVNOW

Selbstverständlich ist der Satz ein Brüller. Ich lache mit, denn ich gucke die RTL-Serie "Bauer sucht Frau", eine Kuppelshow, regelmäßig. Vielleicht liegt es daran, dass ich seit Kindertagen neben Bauernhöfen wohne.

Aber warum lachen wir? Weil wir uns fremdschämen? Weil da einer ungewollt Kalauer produziert, die normalerweise mit üblen Folgen nach hinten losgehen müssten? Hier stammen sie von Uwe, dem Bauern aus dem Westerwald; er ist das Gegenteil der Intelligenzbestie, aber ein herzensguter Mensch. Der bekommt Absolution.

Das Auswahlverfahren der ähnlich gelagerten RTL-Sendung "Der Bachelor" hat etwas Pyramidales, es gleicht dem K.-o.-Prinzip. Viele junge Damen bewerben sich um die Gunst eines Schönlings, doch nur einer Dame wird am Ende die Frage zugehaucht, ob sie die letzte Rose annehmen möchte. Zuvor hat der Mann eine Vielzahl reizender, maximal posierwilliger Damen abgewählt. Bei "Bauer sucht Frau" ist solche Selektion die Ausnahme, denn vermutlich gibt es nicht viele Frauen, die sich auf Männer einlassen, die dem RTL-Prinzip des Bauern entsprechen: Der ist naturbelassen bis in die Achselhöhle, kriegt den Mund nicht auf, hat ungünstige Arbeitszeiten, und seine Mutter wohnt ebenfalls auf dem Hof.

Damit keiner dem Sender den Vorwurf macht, er zeige lauter verdruckste Tölpel, bringt er Menschen zusammen, die einigermaßen kompatibel sind oder sich grotesk, aber erfreulich ergänzen. Die Frauen haben in jeder Hinsicht etwas Handfestes, sind nicht zimperlich; sie rümpfen zwar anfangs die Nase über Schimmelpilz im Badezimmer, doch dann führen sie scharfe Putzmittel im Bauernhaushalt ein. Der erstrahlt plötzlich in neuem Glanz, und der Bauer strahlt mit.

"Bauer sucht Frau" 2017: So lief die vierte Hofwoche
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Die vierte Hofwoche bei "Bauer sucht Frau" 2017

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Foto: MG RTL D

Damit auch das Frauenbild bei dieser Arbeitsverteilung nicht allzu gestrig ausfällt, bekommt der Bauer von der angehenden Bäuerin am nächsten Tag selbst den Schrubber in die Hand gedrückt. Da guckt er erst mal blöd, allerdings winkt ihm das Ende der Einsamkeit, da muss er Kompromisse machen. Die Frauen haben ja auch ihre eigene Aura; Iris, nicht mehr blutjung, übt sich im Bauchtanz.

Mancher Bauer ist natürlich ein Rohdiamant, es braucht seine Zeit, bis er geschliffen ist. Andererseits finden es die Frauen gut, wenn er Kanten hat und - wie es so heißt - sein Ding macht. Der Günter macht Würste, und die Rosi guckt verliebt. Der André in seinem Schweizer Chalet (ein Hexenhäuschen ohne Strom, Wasser und Gas) macht Käse und rührt im Bottich, und die Marlies schaut entzückt. Klaus Jürgen entrollt den Fliegenfänger für den Kuhstall, und die Christa strahlt wie im Himmel. Abends stehen sie Händchen haltend im Wohnzimmer, rücken die Sitzkissen gerade, lassen sich aufs Sofa plumpsen und gucken einander herzig an, bis einer sagt: "Du, I mog di!"

Natürlich ist das grober Unfug, nachgemachte Realsatire, die einen Güllewagen voller Klischees hinter sich herzieht. Warum also gucken sich das so viele Menschen an? Nur wegen des Amüsements, das sich anlässlich etlicher Tollpatschigkeiten von selbst einstellt? Nein, sondern weil es jenseits des Blödsinns sogar auf RTL eine Dimension der Echtheit gibt. Diese Bauern sind ja wirklich Bauern, in ihrer ungeschnitzten Art zu reden sind sie authentisch und geerdet, haben einen Sympathiebonus und erfüllen die Sehnsucht vieler Menschen (vornehmlich weiblicher) nach dem großen "Bio" im Leben. Und wenn ein Bauer wie der Günter zur Rosi sagt: "I mog di!", dann kann man ein Haus auf diesen Satz bauen.

Nach solchen einfachen, archaischen, wackelfesten, unverrückbaren Sätzen sehnen sich viele in einer Welt, in der alles im Wandel, im Fluss und immer schrecklich kompliziert und vorläufig ist. Wenn der dicke Günter die dicke Rosi umarmt, dann freut sich die Nation: Es könnte für immer sein.

Günter war jahrzehntelang Single, und wenn er so vor der Kamera von der Liebe beschenkt wird, dann ist seine überschaubare Bauernwelt plötzlich ein Aquarium, in das alle starren, als sei der Günter ein Exot. Nun, er ist ein Exot wie wir alle, oder andersherum: Wir alle sind Bauer. Möchten, dass einer zu unseren Eigenheiten und Absonderlichkeiten Ja sagt und bleibt. So kann, was den Günter und sein Publikum betrifft, aus dem Fremdschämen fast Neid werden.

Beim "Bachelor" ist die komplette Serie bis zum Glitzermuster der String-Tangas erfunden und festgelegt, es herrscht ein unfassbarer Aufwand an Limousinen, Chauffeuren, Traumhotels, Helikopter-Ausflügen und Büffets, eine Dekadenz, die ans Sündige grenzt. Bei "Bauer sucht Frau" wird die Kandidatin vom Bauer per Traktor vom Bahnhof abgeholt, und man schaut sich das an und denkt: "Auch schön!"

Selbstverständlich kann man gegen diese TV-Bauern alles Mögliche einwenden. Vor allem sind sie keine Landwirte der Moderne. Der Bauer von heute ist Biotechnologe, Veterinärmediziner, Betriebswirt, Werbefachmann, Feinkosthändler, Handwerker, er ist eines der letzten Universalgenies. Die RTL-Bauern betreuen kleine, fast verträumte Einheiten, einige als Hobby, und hoffen, dass die Zeit am besten stehen bleibt, nur eben künftig zu zweit. So wie Klaus aus Hessen, der eine thailändische Joggerin namens Tiwaporn abgekriegt hat, die indes sein Leben gesundheitsdienlich umkrempeln und abends Gemüse servieren will. Da kriegt der Klaus lange Zähne, und die "Bild-Zeitung" rief gestern voll Verzweiflung, es drohe das "Liebes-Aus". Abwarten!

Nur der Benny, der treudoof mit einem Stoffelefanten im Schlafzimmer sitzt und mit Nadine immerzu kuscheln möchte, hat etwas Spezielles. Er wirkt allzu forsch in dieser sauberen Serie, in der ein Zungenkuss eine denkmalwürdige Rarität ist. Den Benny werde ich nächste Woche scharf im Auge behalten.

(w.g.)
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