Düsseldorf Streit um Antisemitismus-Doku

Düsseldorf · Arte und der WDR wollen den eigens produzierten Dokumentarfilm "Auserwählt und ausgegrenzt" weiterhin nicht ausstrahlen. Gestern war er dafür 24 Stunden lang auf "Bild.de" abrufbar. Die Rechtslage ist umstritten.

 Die Doku zeigt Bilder aus dem Juli 2014: Parallel zum Gaza-Krieg demonstrieren auch in Berlin Anti-Zionisten.

Die Doku zeigt Bilder aus dem Juli 2014: Parallel zum Gaza-Krieg demonstrieren auch in Berlin Anti-Zionisten.

Foto: Screenshot

Wochenlang wurde bereits über den Dokumentarfilm diskutiert, obwohl ihn noch niemand gesehen hatte. "Auserwählt und ausgegrenzt - Der Hass auf Juden in Europa" heißt die Doku der Münchner Autoren Joachim Schröder und Sophie Hafner, die der deutsch-französische Sender Arte gemeinsam mit dem WDR in Auftrag gegeben hatte, dann aber nicht ausstrahlen wollte. Der Film schien der Öffentlichkeit verwehrt zu bleiben - bis gestern. Denn auf "Bild.de" war die Dokumentation nun 24 Stunden lang für jeden abrufbar.

"Unsere historische Verantwortung verpflichtet uns dazu, den Unsäglichkeiten, die in der Doku gezeigt werden, entschieden entgegenzutreten", schrieb Julian Reichelt, Vorsitzender der "Bild"-Chefredaktion. Die "Bild" unterstellt, die Öffentlich-Rechtlichen verweigerten die Ausstrahlung nur deshalb, weil die Doku "ein antisemitisches Weltbild in weiten Teilen der Gesellschaft belegt, das erschütternd ist". Mit dem Online-Angebot habe sie jedem die Möglichkeit geben wollen, sich selbst eine Meinung zu bilden. Ob der Medienkonzern Axel Springer allerdings die Rechte an dem Bildmaterial besitzt, ist unklar.

Laut Arte habe man zur Kenntnis genommen, dass "Bild.de" den Film in eigener Verantwortung online gestellt hat. "Auch wenn diese Vorgehensweise befremdlich ist, hat Arte keinen Einwand, dass die Öffentlichkeit sich ein eigenes Urteil über den Film bilden kann", heißt es. Arte-Programmdirektor Alain Le Diberder wehrt sich aber gegen die Vorwürfe des Medienkonzerns: "Die Unterstellung, der Film passe aus politischen Gründen nicht ins Programm, ist schlichtweg absurd."

Arte will den 90-minütigen Film weiterhin nicht zeigen. Die Sendeanstalt mit Hauptsitz in Paris hatte dies bereits im Mai damit begründet, dass der produzierte Film nicht dem geplanten Projekt entspreche und ihm die nötige Ausgewogenheit fehle. Einer der Formfehler, den Arte den Filmautoren vorwirft, ist das Abspringen von Ahmad Mansour als Co-Autor. Der deutsch-palästinensische Publizist wollte die Dreharbeiten begleiten, sagte jedoch kurzfristig ab, weil er sich überlastet gefühlt habe. Ausgerechnet Mansour lobt nun die Arbeit der Autoren: "Inhaltlich ist der Film großartig und überfällig." Kritik an den Öffentlich-Rechtlichen hatten der Zentralrat der Juden und die Historiker Michael Wolffsohn und Götz Aly öffentlich geäußert, die die Dokumentation als gelungen bezeichnen.Die Autoren drehten für "Auserwählt und ausgegrenzt" rund eineinhalb Jahre in Frankreich, Deutschland, Ungarn, Israel und im Gazastreifen. Linke, neue Rechte und Flüchtlinge kommen zu Wort, aber auch palästinensische Intellektuelle, die der eigenen Regierung Israelfeindlichkeit unterstellen. Im Film wird dem evangelischen Hilfswerk "Brot für die Welt" vorgeworfen, antisemitische Propaganda zu verbreiten. Dagegen wehrte sich die Organisation gestern schriftlich. Auch Szenen aus "Hamas TV" und eine antisemitische Rede von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas im Europa-Parlament sind zu sehen. Vieles dreht sich um den neuen "Alltags-Antisemitismus", der sich in Form von Israelkritik zeige.

Auf Anfrage unserer Redaktion teilte gestern die WDR-Unternehmenssprecherin mit, die Sendeanstalt bleibe bei ihrer Haltung und prüfe intensiv, ob die Doku den journalistischen Standards und Programmgrundsätzen entspreche. "Der Film enthält zahlreiche Ungenauigkeiten und Tatsachenbehauptungen."

(ball)
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