TV-Nachlese Anne Will "Europa ist zutiefst gespalten"

Düsseldorf · Deutschland ist im Zuge der Griechenlandkrise heftig kritisiert worden. Und so wollte Anne Will mit ihren Gästen über die deutsche Rolle in Europa diskutieren. Auch wenn sich Jens Spahn und Daniel Cohn-Bendit in langen Monologen und Wortgefechten verloren, wurde zumindest ansatzweise Klartext gesprochen.

 Anne Will hinterfragte diesmal die Rolle Deutschlands in der Griechenland-Krise.

Anne Will hinterfragte diesmal die Rolle Deutschlands in der Griechenland-Krise.

Foto: Screenshot ARD

Während das Parlament in Athen tagte, um darüber abzustimmen, ob man den geplanten Reformen zustimme, fragte Anne Will in der ARD "Solidarität nur nach deutschen Regeln — ist die große Idee Europa gescheitert?"

Kanzleramtschef Peter Altmaier hatte kurzfristig abgesagt, Jens Spahn (CDU), neuerdings Staatssekretär im Finanzministerium von Wolfgang Schäuble, nahm stattdessen seinen Platz ein. Den Gegenpart überließ die Moderatorin dem Grünen Daniel Cohn-Bendit, der lange im Europaparlament gesessen hatte. Und als Experten hatte sie Sonja Puntscher Riekmann, Salzburger Professorin für europäische Politik, und Wirtschaftsjournalist Rainer Hank eingeladen.

Will betonte gleich zu Beginn, dass man live sende, weil ja gerade in Athen die wichtige Abstimmung läuft. Schalten in die griechische Hauptstadt gehörten da natürlich zum Programm — auch wenn Cohn-Bendit meinte, man müsse doch keine "Scheinspannung aufbauen", denn es sei doch klar, was passiert. Klar war aber auch, dass auch die Gäste dieses Talks sich wieder einmal darin verlieren würden zu diskutieren, was denn nun das Richtige für Griechenland ist, sodass Moderatorin Will immer wieder auf die Kernfrage der Debatte verweisen musste.

Doch an klaren Worten fehlte es nicht, was insbesondere Cohn-Bendit, aber auch Puntscher Riekmann, die mit sachlichen Wortbeiträgen zur Qualität der Sendung beitrug, zu verdanken war. So sagte der Grünen-Politiker, dass es diese Kritik an Deutschland gebe, zeige doch, dass es ein Problem gibt. Der griechische Ministerpräsident sei nicht sein politischer Held, aber "geben wir doch zu, dass Tsipras keine andere Chance hatte", wenn das Land im Euro bleiben wolle, als das Paket zu akzeptieren, auch wenn er vieles darin für falsch halte.

Spahn wiederum versuchte in einem langen Monolog Schäubles "Grexit auf Zeit" zu erläutern, was bei Anne Will aber den Verdacht aufkommen ließ, er wolle die Frage nicht beantworten, ob der Bundesfinanzminister denn nun den Grexit wolle oder nicht. Spahns Monolog geriet so in die Länge, dass auch Cohn-Bendit nicht an sich halten konnte und immer wieder dazwischen funkte.

Die beiden lieferten sich ein kleines Scharmützel. Cohn-Bendit: "Sie reden ja ganz schön viel heute." Spahn: "Da haben wir was gemeinsam." Und schließlich müsse es doch möglich sein, dass in den richtigen Zusammenhang zu rücken. "Das ist schon ne ganze schön lange Herleitung", konterte Cohn-Bendit, um dann konkret zu fragen: "Ja oder nein?"

Konkreter wurde da Hank, der es eine "Katastrophe" nannte, was gerade passiere und einen Kollegen zitierte, der von Euro-Kolonialismus gesprochen hatte. Ein nationales Parlament werde hier gedemütigt, so dass man fragen müsse, mit welcher Erosion demokratischer Verfahren man es zu tun habe.

Und die Salzburger Professorin nannte die Rolle Deutschlands im Diktieren von Regeln fatal und betonte, dass jeder in der EU ein wenig vor seiner eigenen Haustür kehren müsse, wenn es um die Einhaltung der europäischen Verträge gehe."Europa ist zutiefst gespalten", betonte Puntscher Riekmann, woraufhin Spahn argumentierte, man sei in einer Phase, in der man sich ehrlich mache und solche Debatten auch mal aushalten und ertragen müsse.

Am Ende der Sendung wurde es dann noch einmal richtig konkret, als es um die Rolle Schäubles und die Verhandlungen vom Wochenende ging. Puntscher Riekmann sagte, sie empfand viele Tonlagen auch von Schäuble hochproblematisch. Und Cohn-Bendit vermisst bei Merkel und Schäuble die Sensibilität eines Helmut Kohl, und man könne sich doch nicht benehmen wie auf dem Schulhof, wo jeder zum anderen sage: Du hast angefangen.

Jedem könne mal passieren, dass er etwas Falsches mache, so Cohn-Bendit, das bedeute aber noch lange nicht, dass Schäuble kein großer Europäer sei. Und Hank verteidigte den Bundesfinanzminister ebenfalls, denn er habe nicht ein Spalter werden wollen mit seiner "Grexit auf Zeit"-Idee, sondern die europäische Idee retten wollen. "Das ist in sich eine konsequente Position", so der Wirtschaftsjournalist.

(das)
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