TV-Nachlese Anne Will spielt Blockade

Berlin · In ihrer Talkshow befasst sich auch Anne Will mit Griechenland. Unter anderem beteiligt sind Hans-Werner Sinn und Gesine Schwan. So wie hier Welten aufeinanderprallen, muss man sich das wohl auch beim Euro-Poker in Brüssel vorstellen.

 Gesine Schwan lieferte sich gleich mehrere Duelle mit Hans-Werner Sinn.

Gesine Schwan lieferte sich gleich mehrere Duelle mit Hans-Werner Sinn.

Foto: Screenshot

Nichts geht mehr in Brüssel. Trotz intensiver Bemühungen kommen Euro-Gläubiger und Athen derzeit nicht auf einen Nenner. Vor allem die Finanzminister der Euro-Länder stehen vor einer Wand. Ihr Amtskollege Giannis Varoufakis will lieber über einen Systemwechsel und einen Ausstieg aus der Schuldenpolitik sprechen als über Zahlen.

Längst heißt es, eine Lösung sei nur noch auf höchster Ebene der Staatschefs möglich, wenn die Politik über die Zukunft Europas entscheidet und nicht der Schuldenberg eines kleinen Landes am Rand der Eurozone.

Unvereinbare Gegensätze

Zahlen und Prozente gegen grundlegende Linien der Politik. So verfahren sich die Lage in Brüssel darstellt, so auch bei Anne Will am späten Mittwochabend. Titel der Sendung: "Finale in Brüssel — Letzter Akt im griechischen Drama?".

Dort sitzt ein Querschnitt der Interessen und Positionen in all seiner Gegensätzlichkeit: Norbert Röttgen, CDU-Außenpolitiker und Europa-Bekenner. Gesine Schwan, Politikprofessorin und scharfe Kritikerin der Sparpolitik. Hans-Werner Sinn, Ökonomie-Professor und entschiedener Grexit-Befürworter. Giorgos Chondros, Vertreter von Syriza. Außerdem ARD-Brüssel-Korrespondent Rolf-Dieter Krause.

Vor allem Schwan und der Grieche Chondros schimpften auf die Politik der ehemals als Troika bekannten Institutionen. Durch nichts sei empirisch ein Erfolg dieser Sparpolitik belegt, wetterte die gut aufgelegte Politik-Professorin. Die Agenda des IWF kritisiert sie als neoliberal.

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Verschwörung gegen Griechenland

Die alternative Agenda der Griechen hat in ihren Augen vor allem nachhaltiges Wachstum im Sinn. In Brüssel aber habe sie niemals die Chance bekommen, ihre Systemalternativen ernsthaft zu diskutieren. Auch ARD-Korrespondent Kraus bekommt sein Fett weg. Ihm wirft sie vor, einseitig von den Verhandlungen in Brüssel zu berichten.

Ähnlich und zusätzlich mit einer verschwörungstheoretischen Prise versehen sind die Argumente Chondros': Sowohl bei Politik als auch Medien vermisst er unabhängiges und faires Denken und Berichte. Heute noch zu hören, dass die griechische Regierung keine brauchbaren Papiere geliefert habe, sei unverantwortlich. Er vermutet in nebulöser Andeutung gar, dass das Aus der Griechen von einigen Beteiligten politisch erwünscht sei.

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Foto: dapd, Michael Gottschalk

Hans-Werner Sinn echauffiert sich

Das alles ist eine Steilvorlage für den nicht minder streitfreudigen Hans-Werner Sinn, der bekanntermaßen schon seit Monaten mit aller Entschiedenheit und kein Mikrofon missachtend für einen Grexit plädiert. Gleich mehrfach geht er hoch wie ein HB-Männchen. Kernargument: Der Staatsbankrott sei unabwendbar, die abgewertete Drachme die beste Chance für einen Neuanfang. Die vorgelegten Rechnungen der griechischen Regierung bewertet er sinngemäß als Frechheit. Wie im Übrigen auch Krause erkannte Sinn darin "Luftbuchungen".

Weiteres Geld in den Staat Griechenland zu pumpen, hält er für einen gravierenden Fehler und bemüht das berühmte Fass ohne Boden. Sinn rechnet vor: "Insgesamt hat Griechenland bis jetzt 330 Milliarden Euro an öffentlichen Krediten vom EZB-System, vom IWF und von der Staatengemeinschaft der Euro-Staaten bekommen bei einem Bruttoinlandsprodukt von 180 Milliarden. Das sind 184 Prozent des BIP. (…) Das heißt, sie haben 35 Marshall-Pläne gekriegt."

"Das ist doch Käse!"

Zum Ende schaukelt sich die Auseinandersetzung zwischen Schwan und Sinn sogar zum persönlichen Disput hoch. Sie lächelt verächtlich, als Sinn die Drachme in den Himmel lobt, er spricht ihr daraufhin jegliche Kompetenz ab, über Wirtschaftsthemen zu sprechen. O-Ton: "Das ist doch Käse!"

Wer in diesem Talk beobachten durfte, wie unvereinbar die Gegensätze in der Schulden-Debatte inzwischen sind, wird die Chancen auf einen Kompromiss in Brüssel als nicht eben groß einschätzen.

Doch da war ja auch noch Norbert Röttgen, gewissermaßen Vertreter der kompromissentschlossenen Kanzlerin, von der es heißt, dass sie alles daran setzen wird, Europa nicht aufs Spiel zu setzen. Seine Replik auf Wills Anspielung, die Tsipras-Regierung solle möglicherweise bewusst gedemütigt werden: "Welches Interesse haben wir denn, dass Griechenland nicht nach vorne kommt? Die Lage ist viel zu ernst in Europa."

(pst)
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