Hubertus Heil bei Anne Will “In fünf oder zehn Jahren werden wir den Begriff Hartz IV nicht mehr haben”

Düsseldorf · Eine Stunde stritten sich Anne Wills Gäste über das Arbeitslosengeld II und eine mögliche Reform. In der letzten Minute wagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil eine Prognose.

Darum ging's

"Hartz IV - reformieren oder abschaffen?" wollte Anne Will im ARD von ihren Gästen wissen. Vor allem sollten die ihre Vorschläge zum Problem der Langzeitarbeitslosigkeit machen: Wie lassen sich insbesondere jene 150.000 Menschen zurück in den Arbeitsmarkt bringen, die schon länger draußen sind?

Darum ging's wirklich

Drei Politiker, ein Journalist und eine Zeitarbeitsunternehmerin arbeiteten hart an Ideen zur Veränderung des Arbeitslosengeldes II. Sie gingen auch der Frage nach, ob die SPD mit ihrem Vorschlag von einem durch öffentliche Mittel geförderten "sozialen Arbeitsmarkt" auf dem richtigen Weg ist.

  • Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales, SPD
  • Robert Habeck, Parteivorsitzender Bündnis 90/Die Grünen
  • Inge Hannemann, Ehemalige Arbeitsvermittlerin und Hartz-IV-Kritikerin, Die Linke
  • Ingrid Hofmann, Geschäftsführerin eines Zeitarbeitsunternehmens
  • Rainer Hank, Ressortleiter Wirtschaft bei der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung

Frontverlauf

Anne Will möchte zuerst von ihren Gästen wissen, ob es bei der Debatte um die mögliche Abschaffung des Arbeitslosengeldes II eigentlich wirklich um Hartz IV geht oder eher um die SPD. FAS-Journalist Hank findet: Letzteres ist der Fall. Er hält es für absurd, in der gegenwärtigen Situation überhaupt eine Hartz IV-Debatte zu führen, das Programm sei mitnichten gescheitert, die Menschen seien zufrieden. Die anderen Gäste - deren Nachnamen hoffentlich nur zufällig ebenfalls mit dem Buchstaben H begann - sahen das anders.

Der neue Bundesarbeitsminister Hubertus Heil versichert, wie wichtig eine langfristige Änderung des Systems sei, das in eine digital und auch sonst gewandelte Zukunft weise. Er wirbt für den Plan der Koalition, mit vier Milliarden Euro konkrete Maßnahmen anzuschieben und einen "sozialen Arbeitsmarkt" aufzubauen. Diese Maßnahmen würde er allerdings gerne Schritt für Schritt umsetzen und ein langfristiges Regelwerk schaffen.

Die Linke Inge Hannemann würde Hartz IV lieber heute als morgen abschaffen. Sie sagt, es stigmatisiere und übe unnötigen Druck aus, wodurch sich sich Erwerbstätige und Arbeitslose gegenseitig bekriegen würden.

Ganz so radikal sieht es Robert Habeck nicht. Er möchte Hartz IV aber gerne "überwinden". Das System hat nach Ansicht des Grünen-Chefs zu viele interne Widersprüche, vor allem fehlen ihm angesichts zu hoher Abgaben Anreize für zusätzliche Arbeit nebenbei. Von Heils Idee, neben dem eigentlichen Arbeitsmarkt einen staatlich geförderten und dann vielleicht noch einen dritten Nebenmarkt aufzubauen, hält er allerdings nichts.

Inge Hofmann ist von der Diskussion überrascht. Sie findet, Deutschland habe nie so gute Voraussetzungen gehabt wie jetzt, Menschen wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Anne Will möchte von ihr wissen, warum es dann nicht gelinge, die 845.000 Langzeitarbeitslosen auf die 1,2 Millionen offenen Stellen im Land zu verteilen - oder wenigstens einen Teil von ihnen. Ihre Antwort: "Die Profile passen nicht zueinander." Es seien oft zu unterschiedliche Berufsgruppen gefragt. Vor allem die 150.000 Menschen, die besonders lange arbeitslos waren, müssten stärker individuell gefördert und begleitet werden.

Weder solidarisch noch Grundeinkommen

Dann bringt Anne Will den Vorschlag von Berlins regierendem Bürgermeister Michael Müller ins Spiel, der Hartz IV durch ein solidarisches Grundeinkommen ersetzen will. Robert Habeck regt sich wortreich über die Idee auf, die er für Etikettenschwindel hält: "Es ist weder ein Grundeinkommen, noch ist es solidarisch", meint er. "Der Begriff unterstellt ja schon, dass der Rest des Arbeitsmarktes unsolidarisch ist."

Einig sind sich eigentlich alle, dass man nach 15 Jahren mit Hartz IV schon mal darüber nachdenken kann, ob das System noch taugt. Rainer Hank schlägt vor, wenn man schon vier Milliarden Euro an Steuergeldern in die Hand nehme, könne man dafür sorgen, dass in Zahlungen automatisch Schwellen eingebaut würden. So ließe sich absichern, dass sich in jedem Fall lohne, zum Arbeitslosengeld dazuzuverdienen. Könnten nicht die Zuverdienstmöglichkeiten schlicht erhöht oder verbessert werden?

Hubertus Heil steckt reichlich Kritik dafür ein, dass er sich für diese Idee nicht erwärmen mag. Ganz am Ende der Sendung bittet er indirekt um Geduld: Eine systemverändernde Reform müsse Stück für Stück umgesetzt werden, man könne nicht mit einem "Big Bang" alles auf einen Schlag ändern. Sein Ziel sei aber, dass es in fünf oder zehn Jahren ein System gebe, in dem es den Begriff Hartz IV nicht mehr gebe. "In fünf oder zehn Jahren werden wir den Begriff Hartz IV nicht mehr haben”, prognostiziert Heil.

Zitat des Abends

"Es tut mir leid, dass nun alle auf ihnen rumhacken, Herr Heil, aber Sie haben nun mal diesen Job." (Robert Habeck zum Bundesarbeitsminister).

(juju)
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