Anne Will im TV-Check "Der schwerste Fehler ihrer Amtszeit"

Düsseldorf · War Angela Merkels historischer Satz "Wir schaffen das" ein historischer Fehler? Anne Will fragt, ob die Kanzlerin überhaupt einen Plan hat oder mit den Flüchtlingen genauso überfordert ist wie die Republik. Der Talk im Check.

 Anne Will ließ bei Thomas Kreuzer (CSU) nicht locker.

Anne Will ließ bei Thomas Kreuzer (CSU) nicht locker.

Foto: Screenshot ARD

Darum ging's

Die Kanzlerin gerät in der Flüchtlingskrise zunehmend unter Beschuss. Vor allem in der Union mehren sich die Stimmen, sie habe durch unüberlegtes Handeln den Ansturm der Flüchtlinge beschleunigt, wenn nicht sogar ausgelöst.

Darum ging's wirklich

Auch Anne Will ist scharf auf Schlagzeilen und bemühte sich daher nach Kräften, aus ihren Gästen ein Statement herauszulocken, dass Merkel an die Wand stellt. Mit beachtlicher Hartnäckigkeit stellt sie daher vor allem den Unionspolitikern in der Runde immer wieder die Frage: Hat die Kanzlerin die Lage noch im Griff?

Die Runde

Bei Anne Will sitzen Journalisten, Politiker, ein Historiker. Namentlich sind das Thomas Kreuzer aus dem CSU-Präsidium, NRW-CDU-Chef Armin Laschet, Cicero-Chef-Redakteur Christoph Schwennicke, ARD Korrespondentin Marion von Haaren und der Historiker Heinrich August Winkler, der noch im Frühjahr von Merkel auserkoren worden war, im Bundestag die viel beachtete Rede zum 70. Jahrestag des Kriegsendes zu halten.

Bizarrster Dialog

Anne Will versucht CSU-Mann Kreuzer zu stellen, der erweist sich als sattelfest gewandter Politiker.

Erster Versuch: Hat die Bundeskanzlerin die Lage noch im Griff?

Kreuzer: Zunächst halten wir die Entscheidung des Bundesamts für Migration zu twittern, dass nach Dublin III nicht mehr zurückgeführt wird, und auch die Aussage der Bundeskanzlerin für eine Mitursache, dass so viele gekommen sind.

Zweiter Versuch, mit vorwurfsvollem Blick ausgesprochen: Aber die Frage war, hat die Bundeskanzlerin die ganze Sache noch im Griff?

Kreuzer: Wir müssen ganz klar sagen, dass — äh — insgesamt, wenn die Zahlen so anhalten, wir in eine schwierige Situation kommen und nicht mehr davon ausgehen können, dass wir die Dinge managen, lösen können.

Dritte Versuch, eher suggestiv: Also hat die Bundeskanzlerin es nicht mehr im Griff...

Kreuzer (atmet durch): Die Bundeskanzlerin löst das Problem nicht allein. Ein Problem ist, dass die Länder uns die Flüchtlinge nach dem Königsteiner Schlüssel nicht mehr abnehmen.

Anne Will gibt auf: Aber Sie scheuen sich, die politisch Verantwortliche dafür anzugehen, hör ich das richtig raus?

Kreuzer: Ich glaube, eine Betrachtung nach hinten hilft uns nichts.

Anne Will interveniert mit einem Augenzwinkern, das habe er doch gerade selbst getan, indem er auf den Tweet des Bundesamts und die Aussage der Kanzlerin im September verwiesen habe.

Kreuzer: Sie haben recht, dass wir diese Entscheidungen für falsch gehalten haben, aber jetzt kommt es darauf an, dass wir alle gemeinsam mit der Bundeskanzlerin handlungsfähig werden.

Übersetzt heißt das natürlich, dass die Kanzlerin spätestens dann die Lage nicht mehr im Griff hat, wenn sie nicht auf die Forderungen der CSU eingeht.

Satz des Abends

"Ich halte das für den schwersten Fehler ihrer Amtszeit."

Zumindest der Publizist Christoph Schwennicke hat ein Einsehen und liefert Anne Will eine steile These. Gemeint ist damit Merkels Satz "Wir schaffen das". Es gebe einen klipp und klaren Zusammenhang zwischen der jetzigen Situation und diesem Satz von Angela Merkel.

​Spontaner Applaus

Den bekommt Armin Laschet, der die Kanzlerin gegen Schwennicke in Schutz nimmt. "Ich wünsch' mir 'ne Bundeskanzlerin, die in so 'ner wirklich historischen Herausforderung sagt 'Wir schaffen das' und die nicht sagt ' Ich kann nicht mehr'."

Bemerkenswerter Gast

Es tut gut, einem unabhängigen Denker wie Heinrich August Winkler zuzuhören. Die größte Herausforderung ist in seinen Augen die Integration in die freiheitlich-liberalen Werte des Westens. Kanzlerin oder Bundesamt wegen einzelner Sätze die Schuld für die Flüchtlingskrise zuzuweisen, damit hält er sich erst gar nicht auf. Ihn störe in der Debatte jedoch die deutsche Selbstgefälligkeit, sich nun als Weltmeister der Hilfsbereitschaft zu betrachten. "Eine Großmacht der Werte? Das grenzt an Selbstüberhebung", so Winkler.

Erkenntnis

Sätze bekommen schnell eine Eigendynamik, weil in der öffentlichen Diskussion kein Raum ist für Zwischentöne und Relativierungen. Das gilt auch für "Wir schaffen das", den Anne Will nochmal im Original einspielt. Auch damals sagte Merkel schon, dass Deutschland nicht in der Lage sein werde, alle Flüchtlinge aufzunehmen.

Aber diese Anmerkung geht im Talk schnell wieder unter.

(pst)
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