Milwaukee Die Kehrseite des Abnehmens

Milwaukee · Eine junge US-Amerikanerin hat 76 Kilogramm verloren und ihr Gewicht damit fast halbiert. Doch als schön empfindet sie sich nicht. Trotz Sport ist die Haut an einigen Stellen schlaff. Ein Mediziner erklärt, auf was man achten muss.

Eine junge Frau sitzt nackt auf einer geblümten Tagesdecke auf dem Bett, ihr Freund schläft noch. In dieser Haltung bilden sich bei ihr im Bauchbereich mehrere Rollen, die Brüste hängen leicht. Ihre Haut ist nicht glatt, sondern wirft Dellen und Falten. Der Blick der Frau schweift in die Ferne, sie ist nachdenklich, vielleicht sogar traurig. Diese Frau ist nicht dick, aber auch nicht schlank - und sie fühlt sich keinesfalls schön. Das kann man sehen. "Surrender" heißt das intime Foto aus dem Schlafzimmer, was so viel bedeutet wie ausgeliefert oder gefangen sein im eigenen Körper.

Die 31-jährige Julia Kozerski hat 76 Kilogramm abgespeckt. Damit hat sie sich sozusagen halbiert. Als sie 2011 mit der Diät begann, wog die damals 25 Jahre alte US-Amerikanerin 338 Pfund (etwa 153 Kilogramm) - mit einem Body-Mass-Index (BMI) von 49,9 bestand ihr Körper fast zur Hälfte aus Fett, "ich wurde als 'morbid adipös' klassifiziert", erklärt die junge Frau. Innerhalb von 16 Monaten nahm sie 169 Pfund (rund 76 Kilogramm) ab - sie reduzierte die Größe der Mahlzeiten, zählte Kalorien, aß gesünder und bewegte sich mehr. "Wir alle haben mindestens eine Eigenschaft, wegen der wir uns unwohl fühlen; etwas, das uns das Gefühl gibt, nicht 'normal' zu sein. Für mich und viele andere ist das eigene Gewicht eine ewige Quelle solcher Unsicherheit", schreibt die Fotografin begleitend zu ihrer Bilderserie "Half", mit der sie schonungslos zeigen will, dass Abnehmen nicht gleichbedeutend mit Schönheit und Wohlbefinden ist. "Während ich überzeugt war, dass meine harte Arbeit und Hingabe mich zur Person meiner Träume machen würden, entpuppte sich die Realität als genaues Gegenteil." Noch immer kämpfe sie mit den Konsequenzen des Gewichtsverlusts - schlaffe Haut, zerrissenes Gewebe und Dehnungsstreifen.

Mit dieser hässlichen Seite des Abnehmens konfrontiert die Fotokünstlerin die Betrachter. Nur auf ganz wenigen Bildern trägt sie Kleidung, denn ihre Botschaft ist: Während sich im angezogenen Zustand die Problemzonen gut kaschieren lassen, sieht die Wahrheit anders aus. "Es ist einfach, den wahnsinnigen Erfolg zu feiern, dass es jemand geschafft hat, so viel abzunehmen, aber unter den Kleiderschichten liegt eine andere Wirklichkeit verborgen", meint die junge Frau, die es ärgert dass eine Gewichtsreduktion gerne nur als positiv dargestellt wird.

Wer viel abnehmen möchte, sollte dies immer in Kombination mit einem individuellen Sportprogramm tun. Sportwissenschaftlern zufolge sollte jeder nach einer Sportart suchen, die ihm entspricht. Neben einer Ausdauersportart - Fahrrad fahren, Laufen oder Schwimmen, bei der Fett verbrannt wird - empfiehlt sich Muskeltraining. Zudem sollten sich Diätwillige realistische Ziele setzen: etwa 20 Kilogramm in zwei Jahren. Von einem hohen Gewichtsverlust in kurzer Zeit ist eher abzuraten.

Dass beim Abnehmen Hautlappen - sogenannte Fettschürzen - zurückbleiben, sei völlig normal, erklärt der Chefarzt der Privatklinik im Breidenbacher Hof in Düsseldorf, Malte Villnow. "Die überschüssige Haut wird man nicht wieder straffen können - auch nicht durch ein intensives Sportprogramm." Zwar ziehen sich die Collagenfasern teils wieder zusammen, das aber reiche nicht aus, um die Haut, die sich mitgedehnt hat, komplett zurückzubilden. Malte Villnow, der auch Sportmediziner ist, empfiehlt, die Bauch-, Oberschenkel- und Brustmuskulatur zu straffen, ein so genanntes "inneres Mieder" zu produzieren. Doch wer sein Gewicht beispielsweise von 130 auf 80 Kilogramm reduziere, müsse sich langfristig einem chirurgischen Eingriff unterziehen, um die überschüssige Haut loszuwerden. Bei einer OP werden die Fettschürzen entfernt und die Haut gestrafft.

Kozerski hat sich bislang nicht operieren lassen. "Mir ist es gelungen, die überschüssige Haut durch Sport etwas zu reduzieren, aber natürlich ist noch viel übrig geblieben", sagt sie. "Inzwischen trage ich meine Haut mit Stolz, als ein Zeichen meines Mutes, sie erinnert mich daran, wie ich einmal war und wie weit ich gekommen bin." Mit ihrem Körper habe sie Frieden geschlossen - auch wenn er nackt betrachtet nicht schön ist.

(RP)
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