Zugkatastrophe von Bad Aibling Helfer arbeiten bis zur Erschöpfung

Bad Aibling · Bei dem Zugunglück im Voralpenland kommen selbst erfahrene Notärzte an ihre Grenzen. Die Lage des Unfallortes bereitet große Probleme.

Es ist 6.49 Uhr in der Früh, als erste aufgeregte Anrufe bei den Polizeidienststellen im Bezirk Rosenheim eingehen. Die Anrufer beschreiben einen ohrenbetäubenden Knall aus Richtung der Schienen zwischen Holzkirchen und Rosenheim. Den Rettungskräften, die schon nach wenigen Minuten am Unfallort eintreffen, bietet sich ein Bild des Grauens: zwei frontal aufeinander geraste Verkehrszüge der Bayerischen Oberlandbahn. Trümmerteile liegen verstreut herum. Metallstreben, ragen aus den Waggons. Ein Triebwagen ist aus den Schienen gesprungen. Der andere hat sich in einen Wagen des entgegenkommenden Zuges hineingebohrt.

Helfer kommen nur schlecht zum Unglücksort

Der schwerste Unfall in der bayerischen Eisenbahngeschichte seit mehr als 40 Jahren hat sich auf einem eingleisigen Streckenabschnitt ereignet, auf dem 100 Kilometer pro Stunde erlaubt sind. Nur schwer kommen die Helfer an den Unfallort heran. Das Gleisbett ist auf der einen Seite von dichtem Wald begrenzt, auf der anderen Seite schlängelt sich der Mangfall-Kanal entlang.

Trotzdem wird der Leiter der Notärzte die Bedingungen an diesem Tag als "glücklich" beschreiben. Was zunächst angesichts der Zahl von mindestens zehn Toten und rund 80 Verletzten makaber klingt, entspricht der Realität: Denn das Unglück hätte noch weit schlimmer ablaufen können. Dank der Faschingsferien in Bayern waren viel weniger Menschen an Bord der beiden Züge als im morgendlichen Berufsverkehr üblich - die Polizei geht von etwa 150 Fahrgästen aus. Zudem ereignete sich das Unglück früh am Tag. Viele der freiwilligen Rettungskräfte sitzen noch am Frühstückstisch und können somit schnell zum Einsatzort aufbrechen.

Hinzu kommen die guten Wetterverhältnisse, schließlich müssen die Retter viele Verletzte - aufgrund der schwierigen Lage des Unfallortes - mit Helikoptern aus der Luft bergen - das sind sie in Bayern von der Bergrettung gewohnt. Unterstützung kommt zudem per Wasserweg: THW- und DLRG-Helfer setzen mit Booten über den Kanal, um Verletzte ans rettende andere Ufer zu bringen.

Mit schwerem technischen Gerät müssen sich die Feuerwehrkräfte Stück für Stück zu den in den Trümmern eingeschlossenen Opfern vorarbeiten. "Es ist ein erschreckendes Bild", sagt ein sichtlich um Fassung ringender Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt, als er am Mittag nach einem Besuch des Unfallorts mit Bayerns Innenminister Joachim Herrmann in Bad Aibling vor die Kameras tritt. Es sei schockierend, wie sich die Züge ineinander verkeilt hätten, so der CSU-Politiker.

Schwer auszuhaltende Bilder

Entsprechend schwer fallen die Verletzungen aus, die die Ersthelfer zum Teil noch am Unfallort versorgen müssen. Selbst für erfahrene Rettungskräfte sind das nur schwer auszuhaltende Bilder. Ein Mediziner spricht von Verletzungen, "mit denen man selbst als langjähriger Notarzt nur sehr selten konfrontiert wird". Die Rettungsleitung gibt die Losung MANV aus - "Massenanfall von Verletzten". In den umliegenden Kliniken werden alle für den Tag angesetzten Operationen augenblicklich gestoppt. Die versorgung der Opfer des Zugunglücks hat jetzt höchste Priorität.

Die Hilfsbereitschaft ist groß. Zu den freiwilligen deutschen Helfern gesellen sich schnell auch Rettungskräfte aus dem benachbarten Österreich. Es ist eine Monsteraufgabe, vor der sie stehen. Viele Helfer müssen noch im Laufe des Tages wieder abgelöst werden. Die psychische Belastung ist einfach zu groß. "Das sind Bilder, die einen natürlich auch sehr stark emotional belasten, weil man sich nicht vorstellen kann, dass solche Unglücke auch bei uns vorkommen können", resümiert Dobrindt. Noch bis in die Nacht hinein dauert der Bergungseinsatz an.

(RP)
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