Axt-Angriff Attentäter von Würzburg wollte sich an "Ungläubigen" rächen

Würzburg · Der Attentäter im Regionalzug nahe Würzburg wollte sich nach Angaben von Ermittlern an Nicht-Muslimen rächen, die seinen Glaubensbrüdern Leid angetan hätten. Zudem tauchte ein Droh-Video auf, das den 17-Jährigen vor der Tat zeigt.

 Polizeipräsident Gerhard Kallert, Oberstaatsanwalt Christopher Rosenbusch und der Leitende Oberstaatsanwalt Erik Ohlenschlager bei der PK am Dienstag.

Polizeipräsident Gerhard Kallert, Oberstaatsanwalt Christopher Rosenbusch und der Leitende Oberstaatsanwalt Erik Ohlenschlager bei der PK am Dienstag.

Foto: dpa, gfh

Der 17-jährige Täter sei am Montagabend mit dem vorgefassten Entschluss in den Zug gestiegen, ihm unbekannte "Ungläubige" umzubringen, sagte der leitende Oberstaatsanwalt Erik Ohlenschlager bei einer Pressekonferenz am Dienstag. Seinen eigenen Tod habe er dabei in Kauf genommen.

Bei dem Angriff wurden fünf Menschen verletzt. Zwei von ihnen schwebten am Dienstag noch in Lebensgefahr. Teilweise seien die Verletzungen "sehr schlimm und sehr drastisch", sagte der Würzburger Polizeipräsident Gerhard Kallert.

Der Täter stammte ersten Berichten zufolge aus Afghanistan. Informationen des ZDF zufolge besteht inzwischen jedoch der Verdacht, dass der Täter in Wirklichkeit aus Pakistan stammt. Er könnte bei seiner Ankunft falsche Angaben gemacht haben, um seine Chancen auf Asyl zu steigern.

Tod eines Freundes möglicher Auslöser

Ein möglicher Auslöser für die Tat könnte die Nachricht vom Tod eines Freundes seiner Heimat gewesen sein. Am vergangenen Samstag habe der 17-Jährige davon erfahren. Diese Nachricht habe großen Eindruck auf ihn gemacht und ihn nachhaltig verändert, sagte Lothar Köhler vom bayerischen Landeskriminalamt. Er habe danach sehr viel telefoniert. Mit wem sei noch unklar, denn das Handy des 17-Jährigen müsse erst noch ausgewertet werden.

 Ein Screenshot des Videos. Der Täter droht den "Ungläubigen".

Ein Screenshot des Videos. Der Täter droht den "Ungläubigen".

Foto: afp

Während der Tat habe der Jugendliche mehrmals "Allahu akbar" ("Gott ist groß") gerufen. Auf dem Handy-Notruf einer Zeugin, der von der Polizei aufgezeichnet wurde, sei dieser Ausruf "deutlich zu verstehen", sagte Ohlenschlager. Die Zeugin war eine Mitarbeiterin eines Heims für Asylbewerber, die den 17-Jährigen kannte.

Der junge Mann war am 30. Juni 2015 nach Deutschland eingereist und lebte seit kurzem bei einer Pflegefamilie. In seinem Zimmer wurde ein Block mit einem IS-Symbol gefunden sowie eine Textpassage, die wohl ein Abschiedsbrief an seinen Vater ist. Darin beklagte sich der Jugendliche "über Ungläubige und Taten, die diesen Ungläubigen zuzurechnen sind". Vor allem eine Passage untermauere die Vermutung, dass die Tat mit einer islamistischen Überzeugung in Verbindung gebracht werden müsse. Der Jugendliche habe an seinen Vater geschrieben: "Jetzt bete für mich, dass ich mich an diesen Ungläubigen rächen kann und bete für mich, dass ich in den Himmel komme."

"Völlig unbeschriebenes Blatt"

Bisher sei der junge Mann strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten. Er sei "polizeilich ein völlig unbeschriebenes Blatt" gewesen, sagte LKA-Ermittler Köhler. "Auch die Nachrichtendienste hatten ihn nicht registriert." Der Jugendliche sei ein gläubiger Muslim gewesen, der aber nicht regelmäßig in die Moschee gegangen sei und privat gebetet habe.

Auch Zeugen fiel er bisher nicht als aggressiv oder reizbar auf. Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft war die Tat daher nicht vorhersehbar. "Im vorliegenden Fall haben wir keine Erkenntnisse, dass irgendjemand - sei es das Jugendamt oder die Betreuer - hätten gegensteuern können, weil die Signale nicht da waren", sagte Oberstaatsanwalt Ohlenschlager. "Es fehlten die Voranzeichen."

Der Jugendliche habe die Angriffe "mit Vernichtungswillen geführt" und mit "unbedingtem Tötungsvorsatz" gehandelt. Dafür spreche auch der Abschiedsbrief, sagte Ohlenschlager.

IS beansprucht die Tat für sich

Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hatte wenige Stunden nach dem Attentat mit fünf Verletzten für sich beansprucht. Außerdem wurde ein Video veröffentlicht, das den mutmaßlichen Attentäter vor der Tat zeigt. Darin stößt er wilde Drohungen gegen "Ungläubige" aus. Die Ermittler überprüften das Video. Das bayerische Innenministerium bestätigte am Abend die Echtheit.

Der 17-Jährige war mit einer Axt und einem Messer auf Fahrgäste in einem Regionalzug bei Würzburg-Heidingsfeld losgegangen. Als der Zug per Notbremse stoppte, sprang er aus dem Zug und flüchtete. Danach griff er noch eine Spaziergängerin an, die mit ihrem Hund unterwegs war.

Schriftzeichen auf dem T-Shirt

Ein Spezialeinsatzkommando der Polizei, das zufällig wegen eines anderen Einsatzes in der Nähe war, nahm die Verfolgung auf. Die Polizisten hätten in einer Notwehrsituation auf den 17-Jährigen geschossen und "in höchster Not keine andere Möglichkeit gehabt". Mindestes vier Schüsse seien abgegeben worden. Wie viele Schüsse es genau waren, müsse die Obduktion zeigen.

Nach LKA-Angaben trug der Jugendliche während der Tat ein weißes T-Shirt mit Schriftzeichen, die der IS-Symbolik ähnelten. Er habe auch ein schwarzes T-Shirt getragen. Welches die Oberbekleidung gewesen sei, sei nicht mehr festzustellen, weil die Rettungskräfte ihn bei der Notfallversorgung entkleidet hätten.

(dpa/afp/csi)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort