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Klötzchen-Krieger Wie brutal ist Lego?

Düsseldorf · Wird Lego brutaler? Das fragt sich der deutsche Forscher Christoph Bartneck, der den Konzern kritisch betrachtet, gerade weil er Fan ist. Er kennt den Preis für den Wiederaufstieg des Spielzeugriesen nach dem Beinahe-Bankrott 2003.

Christoph Bartneck forscht zu einigen der spannendsten Fragen unserer Zeit, aber alle wollen mit ihm nur über Kinderkram sprechen. Der Forscher fragt sich: Wie reagieren Menschen auf Roboter? Würden wir sie auf Befehl ausschalten, beschädigen, zerstören - und falls nicht, was sagt das über uns aus? Doch Journalisten fragen ihn bloß nach einem interaktiven, sprachunabhängigen Baustein-System aus Acrylnitril-Butadien-Styrol-Copolymerisat (ABS), besser bekannt als Lego.

Denn der 42-jährige Robotikforscher aus dem ostwestfälischen Bad Oeynhausen, der inzwischen in Neuseeland lebt, ist privat großer Fan der Bausteine. Er hat schon ein rosafarbenes Einhorn gebaut, aus 30.000 Steinen, 1,80 Meter groß. Er katalogisiert Lego-Figuren und hat einen schräg-schönen Roman verfasst über einen depressiven Mann, der erst seine Lego-Sammlung in den Griff bekommt und dann auch den Rest seines Lebens.

Für Schlagzeilen sorgt Bartneck, wenn er Hobby und Beruf verbindet - und erhebt, ob die Figuren ihr Lächeln verlieren oder ob immer mehr Lego-Baukästen Steine enthalten, die Waffen darstellen, winzige Revolver und Säbel und Laserpistolen.

Lächelnde Gesichter und wenig Waffen — bis das Geld knapp wurde

So erscheint der große Lego-Fan Bartneck vor allem als großer Kritiker des Weltkonzerns aus der dänischen Kleinstadt Billund. Dessen Schwächen wie dessen sture Verschwiegenheit gegenüber Fans und Forschern oder eben manchen Trend bei der Produktpalette kritisiert er, gerade weil Lego ihm so am Herzen liegt. Er hat ein Auge darauf wie auf einen guten Freund, der droht zu werden wie alle anderen.

Dabei bewies Bartneck, dass die Figuren tatsächlich immer häufiger grimmig, ängstlich oder traurig gucken. Bis 1989 hatte es die gelben Köpfe ausschließlich in Form des bekannten "Lego-Smileys" gegeben - Punkt, Punkt, lächelnder Mund. In den ersten Varianten kam mal ein Schnurrbart dazu und mal eine Sonnenbrille. Das Lächeln aber blieb, ebenso wie die nur ausnahmsweise Ausrüstung der Männchen mit Mini-Waffen.

Bis Lego in Probleme geriet.

Nachdem der Konzern 2003 beinahe bankrott gegangen war, beendete er viele kostspielige Experimente mit Mode, Freizeitparks sowie den TV-Serien-Flop "Galidor" und Produktlinien, die statt der klassischen Steine vorgefertigte Bauteile enthalten ("Jack Stone").

Stattdessen trimmte man die klassischen Bausätze auf Action, gern in Form von Lizenzprodukten zu Kinoschlagern: Bald füllten vor allem Modelle zu "Star Wars", "Herr der Ringe", "Harry Potter", "Spiderman" und "Batman" die Regale - und die Kassen. Dafür musste man die berühmten Vorbilder buchstäblich an der Nasenspitze erkennen können. Immer mehr Gesichter kamen deshalb dazu, mehr als 90 allein im Jahr 2010, verziert mit aufgedruckter Schminke, Narben und Tattoos, Bärten und Brillen — und oft negativen Gesichtsausdrücken.

"Die Kinder, die heute mit Lego aufwachsen, werden sich nicht nur an lächelnde Gesichter erinnern, sondern auch an wütende und ängstliche", schrieb Bartneck im im Fazit seiner Studie (PDF-Download). Das sei aber auch notwendig; das Einheitslächeln locke niemanden mehr hinter der Playstation hervor.

Das Geschäft mit Panzern und Kalaschnikows überlässt Lego absichtlich anderen

Neulich dann ging die Schlagzeile "Lego wird immer brutaler" um die Welt - weil Bartneck gezählt hatte, dass der Konzern seinen Figuren ständig neue Miniaturwaffen in die Plastikhände drückt. 30 Prozent aller neuen Bausätze enthalten mindestens eine Waffe und 40 Prozent der Katalogseiten zeigten gewalttätige Konflikte - mehr denn je. Über mögliche Einflüsse auf das Spielverhalten spekuliert er nicht. Für Aufmerksamkeit sorgte die Studie (PDF-Download) dennoch, weil sich Lego stets pazifistischen Werten verpflichtet gefühlt hatte, was ihm zum Ruf als "pädagogisch besonders wertvoll" verhalf.

Tatsächlich weigert sich Lego bis heute beharrlich, Plastikversionen von modernem Militärgerät wie Panzern herzustellen. Auch die populärsten Fan-Vorschläge für neue Produkte auf der Mitmach-Plattform "Ideas" setzt das Unternehmen nur in offizielle Modelle um, wenn sie nicht zu düster, zu erwachsen, zu brutal sind. Sehenden Auges überlässt Lego dieses potenziell profitable Feld Konkurrenten wie "Megabloks" sowie Garagenunternehmen wie "BrickArms.com", die Originalfiguren von Lego aufkaufen und mit realistischen Militäruniformen bedrucken sowie passende Kalaschnikows, Panzerfäuste und Patronengürtel dafür fertigen.

Dennoch bricht Lego sein selbst auferlegtes "Pazifismus-Dogma" - und zwar nicht nur beim üblichen Kinderspiel mit Raubrittern, marodierenden Piraten oder US-Kavallerie in Indianergebieten. "Scheinheiligkeit" und "Doppelmoral" werfen Fans dem Konzern vor, weil er auch Bausätze von Doppeldeckern aus dem Ersten Weltkrieg anbietet - einen für Erwachsene, einen für Kinder, beide mit Maschinengewehren. Erhältlich ist auch der Dreidecker des legendären "Roten Barons" Manfred von Richthofen, der darin im Alter von 25 Jahren starb.

"Die Lego-Produkte sind nicht so unschuldig, wie sie einmal waren", sagt Bartneck dazu. Tatsächlich ist das Wiedererstarken des Konzerns im vergangenen Jahrzehnt maßgeblich auch einer Öffnung gegenüber Konflikten zu verdanken: Die Sets der "Indiana Jones"-Reihe beinhalten auch Nazi-Soldaten mit Maschinenpistolen. Für die extrem gut verkauften Miniaturen der fiktionalen Kriegs-Epen "Star Wars" und "Herr der Ringe" werden Dutzende verschiedene Waffen im Miniaturmaßstab produziert, vom pseudohistorischen Lang- bis zum Lichtschwert.

Gewalt? Nur um das Universum zu retten

Das sorgt für Kritik. "Das Unternehmen sagt, solange die Story fiktional sei, sei es egal, ob sie Waffen beinhalte, aber das finde ich nicht. Falls Lego pazifistisch ist, sollten sie Gewalt komplett vermeiden", kritisierte ein 15-jähriger Fan schon 2012 in einem vielbeachteten Blogbeitrag. "Eine Waffe ist eine Waffe, und ihr einziger Zweck ist das Schießen auf andere, seien es nun echte Menschen oder kleine Plastikfiguren, die echte Menschen repräsentieren."

Der Konzern blieb bei seiner Haltung, die er 2010 erstmals konkretisiert hatte: "Hauptziel ist es, realistische Waffen und Militärausrüstung zu vermeiden, die Kinder von Konfliktherden dieser Welt wiedererkennen könnten." Seit 2011 heißt es: "Das Lernen des Umgangs mit Konflikten, Aggressionen und Waffen ist oft Teil des Spielens mit Lego - aber nur als Mittel zum Zweck: Menschen retten, einen Schatz finden oder das Universum retten."

Bartnecks Urteil: "Lego wagt die Gratwanderung und nimmt quasi an einem ,Rüstungswettlauf' im Kinderzimmer teil - mit Lizenzprodukten, aber auch mit eigenen Erfindungen wie den ,Bionicle'-Kriegern." Dass 30 Prozent der Bausätze mindestens eine Waffe enthielten, heiße aber auch, dass dies für 70 Prozent eben nicht zutreffe. 169 verschiedene Waffen hat Lego bis heute produziert - von, je nach Zählweise, mehr als 30.000 Bausteinen. "Außerdem kann man doch alles neu kombinieren, wie man will", sagt Bartneck. "Also schmeißt die Bauanleitungen weg!" Jeden als Waffe gedachten Baustein könne man auch zweckentfremden. Schwerter zu Pflugscharen eben - Umschmelzen unnötig. Umstecken reicht.

(tojo)
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