Jugendsprache Wenn Erwachsene nichts "checken"

Düsseldorf · Die Wissenschaft beschäftigt sich immer mehr mit Jugendsprache. Am heutigen Internationalen Tag der Jugend ist es Zeit für ein bisschen Verständnis. Denn der junge Sprachstil hat viel mit Identitätsfindung zu tun.

Jugendsprache: Wenn Erwachsene nichts "checken"
Foto: dpa, Armin Weigel

Die Jugend pflegt ihren eigenen Stil: Das gilt für ihre Mode, ihre Musik - und für ihre Sprache. Die kann so individuell sein, dass besonders Erwachsene kaum verstehen können, was der Sprössling ihnen sagen will. "Ich versteh nur Bahnhof", hätte die Jugend Mitte der 90er in solch einer Situation gesagt. Vieles kann man heute schon in Wörterbüchern nachschlagen, die es zum Thema Jugendsprache gibt. Nils Bahlo, Sprachwissenschaftler an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster, beschäftigt sich beruflich mit der Jugendsprache - und räumt gleich mal mit einem weit verbreiteten Irrtum auf: "Die eine Jugendsprache, die gibt es nicht", sagt er - ebenso wenig, wie es den einen Jugendlichen gibt. Das wäre ja auch zu leicht. Stattdessen gibt es in der Jugendsprache zahlreiche Variationen. "Das kann regional spezifisch sein und richtet sich nach den Vorlieben der Jugendlichen. Ein Nerd spricht anders als ein Skater oder ein Punk, ein Gymnasiast anders als ein Hauptschüler", so Bahlo. Und schon mag sich der ein oder andere fragen: "Was ist ein Nerd?"

Fest steht: Nicht jeder Jugendliche benutzt Begriffe wie "Ellis" (Eltern), "Swagger" (Angeber) oder "Nerd" (Streber). Nicht alle Teenager drücken ihr Entzücken durch Worte wie "hammermäßig", "geil" oder "abgespaced" aus. So stehen sich manchmal auch Gleichaltrige gegenüber, die mit der Sprache des anderen nichts anfangen können. "Jugendliche wollen sich auch nicht bewusst von Erwachsenen abgrenzen", sagt Bahlo. Sie wollen sich vielmehr generell abgrenzen. "Das ist ihre Art, sich zu behaupten", sagt der Sprachwissenschaftler. Jede Clique hat so ihre eigene Sprache.

Und die entstehe meist aus der Situation heraus. Jugendliche entwickeln innerhalb ihres sozialen Umfeldes neue Wörter: Sie verwenden Anglizismen ("bashen" statt besiegen), entfremden Worte ("fett" für toll), überspitzen sie ("mega heiß" statt sehr heiß) oder kreieren neue ("Rentnerbravo" für die "Apotheken Umschau"). Manche davon schaffen es sogar von der Jugend- in die Alltagssprache und werden im Laufe der Zeit zu gängigen Redewendungen. Heute stört sich zum Beispiel kaum jemand an dem Begriff "geil". "In den 80er Jahren war das noch ein Unwort und hatte vor allem eine sexuelle Bedeutung, mittlerweile sagen das auch Erwachsene", sagt Bahlo.

Dass Jugendliche untereinander neue Sprachformen entwickeln, sei nicht neu, sagt Bahlo, und erst recht nicht schlimm. Viel mehr sei es ein Zeichen von Kreativität. "Da, wo Jugendliche Freiräume haben, entwickeln sie ihren eigenen Sprachstil." Das sei schon immer so gewesen, schon zur Zeit Goethes. "Und es war auch schon immer so, dass die eine Generation die nachfolgende für ihren Sprachstil kritisiert und den Verfall der Sprache gefürchtet hat", sagt Bahlo. Sicher, grammatikalische Entgleisungen wie "Gehst du Kino?" oder "Gib mal Kulli" jagen manch einem kalte Schauer über den Rücken, doch können die Jugendlichen auch anders. "Sobald sie ins Erwachsenenalter eintreten, wenn sie etwa ein Studium oder eine Ausbildung beginnen, verblasst die Jugendsprache", erklärt Bahlo. Die Jugend kürze Sätze eben gerne ab, "sie sind da ökonomisch". Das kommt ihnen vor allem beim Verfassen von Kurznachrichten via Smartphone oder Twitter zugute - bei letzterem hat man lediglich 140 Zeichen.

Teil 2: Jugendsprache übersetzt
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Übrigens sind es nicht nur die Jugendlichen, die Jugendsprache sprechen: "Wenn wir Erwachsenen zum Beispiel unsere alten Schulfreunde wiedersehen, dann sprechen wir mit denen sofort wieder wie früher", sagt Nils Bahlo.

(RP)
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