Migrationsforscher Klaus J. Bade Warnung vor Roma-Zuwanderung ist Panikmache

Berlin · Bund und Kommunen warnen vor immer neuen Roma-Zuwanderern aus Südosteuropa. Der Migrationsforscher Bade hält das hingegen für Panikmache. Es würden neue Feindbilder geschürt.

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Der Migrationsforscher Prof. Klaus J. Bade hat vor hysterischen Reaktionen auf den Zuzug von Roma aus Südosteuropa gewarnt. Zugleich wies er den Eindruck zurück, Deutschland erlebe zurzeit eine massenhafte Armutszuwanderung. "Das ist Panikmache. Das ist wieder der Appell, eine negative Koalition der Abwehr statt eine positive Koalition der Gestaltung zu schaffen", sagte Bade in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa.

Kritik übte der renommierte Migrationsexperte an der Forderung von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), Städte und Kommunen sollten ihre Kontrollen verschärfen. "Sie schürt in der Bevölkerung fahrlässig eine Abwehrhaltung gegen unerwünschte Zuwanderung, die man aber nicht einfach verbieten kann."

Abwanderung werde vergessen

Bei den Zahlen tauchten Missverständnisse auf, sagte Bade. Wenn für 2011 rund 147.000 Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien genannt würden, für 2012 geschätzt rund 180.000, dann werde die Abwanderung dieser Menschen aus Deutschland vergessen. "Im Saldo waren es 58.000 Menschen, die 2011 aus Bulgarien und Rumänien nach Deutschland gekommen sind", sagte der Experte. Wie viele davon Roma und Sinti seien, wisse keiner, da keine ethnischen Statistiken geführt würden.

Zudem werde in der politischen Diskussion nicht berücksichtigt, dass rund 80 Prozent der zwischen 2007 und 2010 zugewanderten Bulgaren und Rumänen sozialversicherungspflichtig auf dem ersten Arbeitsmarkt beschäftigt seien, sagte der Experte. 46 von diesen 80 Prozent seien qualifiziert, 22 Prozent sogar hoch qualifiziert mit akademischen Abschlüssen. Doch nun werde ein neues Feindbild hochgezogen: "Die Roma kommen. Das Schreckensbild der Zigeuner steht wieder auf", kritisierte Bade.

Der Appell von Politikern, Kindergeldregelungen und die Freizügigkeit zu überprüfen, gehe in die falsche Richtung. "So macht man das System Europa kaputt. Begriffe wie Migrationssteuerung haben innerhalb der EU ausgedient. Das ist Politik von gestern", so der emeritierte Professor. Stattdessen müsse sich die Politik um die Folgen der Fehlentscheidung von 2007 kümmern, Rumänien und Bulgarien schon in die EU aufzunehmen. "Sie hätten aus meiner Sicht gut noch zehn Jahre warten können. Das war ein europapolitischer Vertrag zulasten Dritter, nämlich der Kommunen", sagte Bade. "Die Städte brauchen Geld. Ideen haben sie genug."

"Nicht europaskeptische Haltung züchten"

Bade forderte Innenminister Friedrich auf, "nicht europaskeptische Haltungen zu züchten, sondern den Deutschen zu sagen: Wir haben unendlich viel von der europäischen Integration gehabt." Die Integration der nicht qualifizierten Zuwanderer aus Südosteuropa müsse über Bildung erfolgen. "Die Kinder sind lernwillig und unser Potenzial", betonte Bade.

Auf europäischer Ebene indes müssten "die wanderungstreibenden Faktoren in den Herkunftsländern besser bekämpft werden", forderte der Experte. Wenn die soziale Stellung und die wirtschaftlichen Chancen der Roma und Sinti in Rumänien und Bulgarien verbessert würden, blieben auch mehr da.

(dpa/anch)
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