Wie Arbeit und Privatleben verschmelzen Unter Frollegen

Erlangen · Aus Kollegen werden immer häufiger Freunde - Frollegen. Viele verbringen auch nach der Arbeit Zeit miteinander. Aber wie viel Privates sollte man im Job preisgeben?

 Aus Arbeitskollegen werden oft Freunde.

Aus Arbeitskollegen werden oft Freunde.

Foto: Andreas Endermann

Man verbringt mit ihnen mehr Zeit als mit seinem Partner. Mindestens acht Stunden am Tag, oft jedoch mehr, und das an durchschnittlich 222 Arbeitstagen pro Jahr. Da passiert es recht schnell, dass Kollegen zu einer Art Freunde werden, dass sich Privates und Berufliches vermischt, dass man sogar Geheimnisse teilt und auch abends mal etwas zusammen trinken geht. Kurz: dass man unter Frollegen - eine Mischung aus Kollegen und Freunden, im Englischen als "frolleagues" bezeichnet - arbeitet.

Wer in derselben Firma angestellt ist, hat von vorneherein einiges gemeinsam: etwa einen ähnlichen Werdegang, ähnliche Interessen, ähnliche Werte - und oft auch ähnliche Probleme. Das schweißt zusammen und birgt viel Gesprächsstoff. Durch den bloßen Kontakt wird man sich meist schon sympathischer, sagt Psychologin Sabine Hommelhoff von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen. Im Laufe der Zeit entdeckt man dann vielleicht noch weitere Gemeinsamkeiten, zum Beispiel einen ähnlichen Humor.

Konzerne fördern das Miteinander

Zudem wird in vielen Unternehmen das Miteinander gefördert. So scheint sich die Zahl der Freundschaften am Arbeitsplatz zu erhöhen: Drei bis vier Freunde haben berufstätige Deutsche durchschnittlich im Job, das hat Hommelhoff in einer (nicht repräsentativen) Studie herausgefunden. "Ich war von der Zahl ein bisschen überrascht, da ich mit weniger gerechnet hätte", sagt Hommelhoff. Denn sie hatte den rund 200 Teilnehmern eine Definition vorgegeben, die Freundschaft als reine Freundschaft darstellte - ohne jeglichen beruflichen Nutzen.

In einigen Studien gilt es als Hauptmerkmal einer Freundschaft bei der Arbeit, dass man sich auch privat, abseits von der Arbeit, sieht. Im Prinzip könne man sich einfach fragen, ob die Verbindung, die am Arbeitsplatz entstanden ist, auch den "normalen" Kriterien einer Freundschaft entspricht, sagt die Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Lehrstuhls für Psychologie im Arbeitsleben. "Es muss eine freiwillige, vertrauensvolle, positive, langandauernde Beziehung sein; im Prinzip frei von Nützlichkeitserwägungen und auch frei von sexuellem Interesse."

Das Phänomen, dass aus Kollegen Freunde werden, gibt es schon länger. Neu ist jedoch, dass in einigen Unternehmen bereits in Stellenanzeigen eine Freundeskultur am Arbeitsplatz beworben wird, etwa mit folgendem Wortlaut: "Hier arbeiten Sie unter Freunden, nicht unter Kollegen". Auch das hat Hommelhoff untersucht. Ihr Ergebnis: Personen, die Freundschafts-Stellenanzeigen lesen, denken, dass sie in einer solchen Organisation weniger leisten müssen (im Vergleich zur Einschätzung von Personen, die eine normale Stellenanzeige erhalten haben). "Im Prinzip ist es logisch: Wenn man Freundschaft betont, dann erweckt man den Eindruck, dass es einem vorrangig um das Wohl des anderen, um das gute Klima geht, aber nicht so sehr um die Sach- und Leistungsorientierung, die sonst bei der Arbeit üblich ist", erklärt Hommelhoff.

Was passiert, wenn ein Frollege zum Vorgesetzten wird?

Problematisch kann es werden, wenn ein Frollege zum Vorgesetzten befördert wird oder sogar eine Stelle bekommt, die man selbst auch gerne gehabt hätte. "Es hat sich gezeigt, dass es nicht einfach ist, wenn unterschiedliche Hierarchien ins Spiel kommen", erklärt Hommelhoff. Schwierig kann es auch werden, wenn der Chef sich als "einer von ihnen" begreift. Laut Hommelhoff sollte man sich in dieser Position wie Kasper Rorsted, der Ex-Henkel Chef und künftige Vorstandsvorsitzende von Adidas, verhalten: "When we have parties, I'm the one who will leave early" ("Firmenpartys verlasse ich früh"), so wird der Unternehmer von der "New York Times" zitiert. Zurückhaltung geht also vor Chefallüren.

Unternehmen, die ihre freundschaftliche Kultur besonders betonen, schaffen aber damit nicht automatisch gute Arbeitsbedingungen. Hommelhoff: "Das Duzen kann seine Tücken haben, das freundliche Sie wird meines Erachtens unterschätzt."

Selbst wenn man sich mit den Frollegen gut versteht, heißt das aber nicht, dass man ihnen alles erzählen muss. "Allgemein würde ich hier raten, sich klarzumachen, dass man manchmal von der höflichen, klassischen Reaktion ,mir hat jemand eine Frage gestellt, ich beantworte sie' abweichen sollte, wenn eine Frage nicht angemessen oder unangenehm ist", rät Hommelhoff. Je nach Umgangston und Verhältnis könne man das sachlich oder aber ein bisschen humorvoller beantworten. "Es ist ratsam, ein paar Antwortmöglichkeiten im Kopf zu haben, sonst ärgert man sich vielleicht hinterher, wenn man zu irgendeinem intimen Geständnis gedrängt wurde", sagt Hommelhoff. Eine Teilnehmerin ihrer Studie schilderte, dass es bei ihr am Arbeitsplatz wenige Tabus gebe, auch sexuelle Dinge würden besprochen; das sei ihr unangenehm gewesen.

Einladungen sollten keine Pflicht sein

Auch zu Einladungen im Frollegenkreis ist man nicht verpflichtet. Vor allem bei einer Hochzeit (aber auch bei Geburtstagen) gilt laut der Psychologin, dass man nur die einladen sollte, mit denen man dieses Ereignis wirklich feiern möchte. "Wenn man tolle Kollegen hat, mit denen man befreundet ist und die man dabei haben möchte, dann lädt man sie ein; aber wenn man eigentlich gar nicht möchte und nur denkt, man sei verpflichtet, dann sollte man es lieber lassen", so lautet Hommelhoffs persönliche Ansicht.

Wie beständig die Beziehung zu den Frollegen ist, erfährt man spätestens, wenn einer das Unternehmen wechselt. Denn dann fällt das verbindende Gesprächsthema Job weg. Wenn es keine echte Freundschaft war und einen doch nicht so viel verbunden hat, dann werde der Kontakt vermutlich loser. Aber dann findet man bald vielleicht schon wieder neue Frollegen.

(RP)
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