Umweltenzyklika des Papstes Manchmal liest sie sich wie ein Weltuntergangsszenario

Düsseldorf · Klimawandel, Armut, exzessiver Konsum. Papst Franziskus zeichnet in seinem am Donnerstag veröffentlichten Schreiben eine Welt, die am Rande des Abgrunds steht. Manchmal scheint es, als wolle er das Rad der Geschichte zurückdrehen.

Umweltenzyklika von Papst Franzsikus: Wie ein Untergangsszenario
Foto: dpa, mau lb kde

Am Ende seiner ersten eigenen Enzyklika bezeichnet Papst Franziskus die zurückliegenden 100 Seiten als "dramatische Überlegungen". Nun besitzen Enzykliken von Natur aus einen bisweilen streng mahnenden Charakter, doch diese Zuspitzung soll dem päpstlichen Lehrschreiben eine zusätzliche Wucht verleihen.

Papst Franziskus zeichnet in dem am Donnerstagmittag auch offiziell veröffentlichten Schreiben eine Welt, die mit Klimawandel und Armut, entgrenztem Konsumverhalten und verantwortungloser Energieverschwendung am Rande des Abgrunds steht. Manchmal liest sich das Schreiben wie ein Untergangsszenario.

Wobei all das, was Franziskus zur Umwelt sagt, nicht besonders neu und damit kaum überraschend ist. Eine Art Gewöhnung, die allerdings eher zur weiteren Aufregung als zur Beruhigung beitragen sollte. Denn in all den Jahren, in denen über Umwelt und Klimaziele diskutiert worden ist (im kirchlichen Kontext geschieht dies unter der biblischen Botschaft von der Bewahrung der Schöpfung), scheinen nicht nur keine Fortschritte gemacht worden zu sein; die Lage hat sich auch nach Meinung der Wissenschaftler vielmehr weiter zugespitzt.

Auch darum gibt es eine Besonderheit: Die neue Enzyklika richtet sich betont an alle Menschen, das heißt nicht nur an Christen und erst recht nicht nur an Katholiken. Da alle betroffen sind, sollen am besten auch alle von den Gedanken des Papstes angeregt werden. Die Enzyklika will also weit über den eigenen Kirchturm hinaus in die Welt schauen und wirken.

Wie aus der Feder eines Ortsvereins der Grünen

Manches liest sich reichlich banal. Da sind die Vorschläge zur Rückgewinnung von einheimischen Wäldern, zur Verschönerung von Landschaften durch Umweltsanierung, da sind die Anmerkungen zu architektonischen Projekten von großem ästhetischem Wert oder zu Fortschritten in der Produktion umweltfreundlicher Energie wie auch zur Verbesserung des öffentlichen Verkehrs — all das klingt wie der unverbindliche Wunschzettel irgendeines Ortsvereins der Grünen.

Doch es wäre fatal, damit die Enzyklika schon aus der Hand zu legen. Denn so konkret die Schrift auch zu sein scheint und zu argumentieren versucht, so erhebt sie nie den Anspruch einer wissenschaftlichen Arbeit, die mit reichlich statistischem Material unterfüttert ist.

Franziskus geißelt den kollektiven Egoismus

Papst Franziskus geht es um eine Gesamtdiagnose der Zeit, die er gerne als Postmoderne bezeichnet und in ihrem radikalen Individualismus auch geißelt. Als "anthropozentrische Maßlosigkeit" beschreibt er die tonangebende Haltung.

Nach und nach wird in der Enzyklika deutlich, was der Papst mit einer "ganzheitlichen Ökologie" meint. Für ihn ist die Zerstörung der Umwelt nicht nur ein technisches Problem, das mit neuer Technik vielleicht wieder in den Griff zu bekommen ist. Die ökologische Katastrophe ist Folge und Konsequenz einer Haltung des modernen Menschen: Er macht sich in der vielleicht bewussten Fehldeutung des Bibelzitats die Welt in einer Weise untertan, dass andere Geschöpfe nicht mehr als Wesen Gottes erkannt und gewürdigt werden, sondern nur Zwecken unterworfen sind und ausgebeutet oder vernichtet werden können. Der kollektive Egoismus ist ein Grund für die Zerstörung unserer Welt.

Einfachheit, Demut und Beschränkung

Und so gehört zur ganzheitlichen Ökologie für Franziskus auch eine Art Sozialökologie und eine von ihm selbst so bezeichnete Humanökologie. Der Papst zeichnet ein Bild nach christlichem Verständnis, fordert ein Leben in Einfachheit, in Demut und Beschränkung. Entfesselte Wirtschaftskräfte gilt es übernational zu bändigen — Rezessionen sind dabei bewusst in Kauf zu nehmen.

Manchmal scheint es, als wolle der Papst das Rad der Geschichte zurückdrehen. Oft gewinnt man aber auch den Eindruck, dass dies vielleicht der einzige Weg sein könnte. Mitunter aber vertritt er Positionen, die mit dem Lebensgefühl und der Lebenshaltung der Menschen in der Gegenwart unvereinbar sind. Dazu gehört unter anderem sein Angriff auf die Gender-Theorie.

Die Welt der Zukunft ist für den Papst eine Welt seines Namensgebers — des heiligen Franziskus von Assisi. Sein Lobgesang auf die Welt wurde auch zum Titel der Enzyklika: "Laudato si, mi Signore" — Gelobt seist du, mein Herr.

(los)
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