Sicherheit im Schwimmbad Syrischer Flüchtling ist jetzt Bademeister in Tübingen

Tübingen · Der Syrer Aiham Shalghin arbeitet im Tübinger Freibad als Bademeister. Weil viele Flüchtlinge zu den Gästen gehören, sind seine Sprachkenntnisse gefragt. Für Shalghin ist der Job das Sprungbrett in ein neues Leben.

 Aiham Shalghin (24) sorgt in einem Tübinger Freibad für die Sicherheit der Badegäste.

Aiham Shalghin (24) sorgt in einem Tübinger Freibad für die Sicherheit der Badegäste.

Foto: dpa, ste fpt

Aiham Shalghin (24) hat die Ärmel seines Stadtwerke-Tübingen-T-Shirts hochgekrempelt, steht mit ernstem Blick am Beckenrand und beobachtet das Gewusel im Wasser. Der Syrer ist Bademeister im Freibad, wo er in diesem Sommer wie gerufen kommt: Viele Flüchtlinge kommen zum Baden und brauchen Hilfe und Erklärungen. "Die Leute aus den arabischen Ländern kennen die Regeln für Deutschland nicht", sagt Shalghin. Er müsse etwa erklären, dass es verboten ist, vom seitlichen Beckenrand zu springen. Langsam hielten sich die Neulinge an die Vorschriften — für Shalghin ein Erfolg in seinem ersten Job in Deutschland.

"Wir hatten die Idee, im Freibad proaktiv was zu tun zum Thema Flüchtlinge", sagt der Personalentwickler der Stadtwerke, Thomas Welz. Vor dem Hintergrund der Übergriffe von Flüchtlingen auf Badegäste in anderen Städten wird die Idee vom Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) als "eine großartige Präventions- und Integrationsmaßnahme" gelobt. Sexuelle Übergriffe habe es in Tübinger Bädern aber noch nicht gegeben.

Von den Vorfällen in anderen Städten hat Shalghin gehört. Die Freizügigkeit in den Bädern sei für manche Neuankömmlinge ungewohnt, sagt er. "Viele Flüchtlinge kommen aus Dörfern und waren nie in einem gemischten Schwimmbad." In Damaskus, wo er auch schon als Bademeister gearbeitet und Wasserball gespielt hat, seien Frauen und Männer allerdings gemeinsam schwimmen gegangen — manche Frauen auch im Bikini. Trotz der jüngsten Vorfälle wünscht er sich, dass Flüchtlinge nicht unter Generalverdacht gestellt werden.

Er hatte in Tübingen noch keinen Einsatz dieser Art. Wenn er wegen seiner Sprachkenntnisse gerufen wird, gehe es meist um Verletzungen. "Auf der Rutsche hat ein 13 Jahre altes Kind, das ohne Eltern hier war, einen Schlag auf die Nase bekommen", erzählt Shalghin. "Ich musste reden und kühlen."

Viele Bäder sind in kommunaler Hand, beim Städtetag Baden-Württemberg blickt man daher interessiert auf die Idee aus Tübingen. "Es ist in der Tat von Vorteil, wenn er die Sprache spricht", sagt der Dezernent für Integration, Gerhard Mauch. Gedruckte Verhaltensregeln gebe es in den meisten Bädern inzwischen in mehreren Sprachen. "Rechtzeitig einschreiten kann auch ein deutscher Bademeister", sagt Mauch. Den Tübinger Weg anderen Kommunen zu empfehlen, gehe ihm zu weit.

Shalghin profitiert von dem Job in Festanstellung. Sein Deutsch ist wegen der Gespräche mit Kollegen und Badegästen besser geworden — nur "Sprungbrett" komme ihm noch schwer über die Lippen. "Es ist ein großes Problem, dass viele Flüchtlinge nur zu Hause sitzen und viel trinken. Sie werden traurig und denken an die Heimat." Er hatte sich bei den Stadtwerken beworben und hat weitere Pläne: Er will sein Studium der Rechtswissenschaften fortsetzen.

Dass er ein guter Schwimmer ist, hat ihm nicht nur den Berufsstart in Deutschland erleichtert. Es hat ihm auch schon das Leben gerettet: Auf der Flucht im vergangenen September sei das Schlauchboot, in dem er saß, zwischen der Türkei und Griechenland gesunken. Sechs Kilometer vor der Küste habe er mit einem Freund, ebenfalls Rettungsschwimmer, Frauen und Kindern geholfen, über Wasser zu bleiben. Nach einer halben Stunde sei ein Rettungsboot gekommen. "Es ist niemand ertrunken."

(jeku/dpa)
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