Missbrauchsfälle an Odenwaldschule Schulleiterin will an Amt festhalten

Berlin/Frankfurt (RPO). Im Missbrauchsskandal an der privaten Odenwaldschule im hessischen Heppenheim hat Schulleiterin Margarita Kaufmann sich für den Rücktritt des Schulvorstandes ausgesprochen - will selbst aber die Schule weiter leiten. Nach dem Bekanntwerden immer neuer Missbrauchsfälle an deutschen Schulen und Internaten schaltet sich die Politik ein.

"Ich gehe davon aus, dass der Vorstand, dem ich ja angehöre, geschlossen zurücktreten wird", sagte sie der "Frankfurter Rundschau". Für einen Neuanfang sei es notwendig, dass sich die Schule klar positioniere. Sie selbst wolle die Schule aber weiter leiten. Die Schulleiterin kündigte an, sich für die Aufarbeitung des Skandals "Hilfe von außen zu holen".

Schulleiterin: Sexueller Missbrauch ist Tatsache

Wie die "Frankfurter Rundschau" am Samstag meldete, soll es in der nichtkirchlichen Schule, einer Unesco-Modellschule, zu zahlreichen Missbrauchsfällen gekommen sein. Auch die Odenwaldschule im hessischen Heppenheim bestätigte unterdessen Fälle sexueller Gewalt. "Es ist für mich eine Tatsache, dass hier mindestens seit 1971 sexueller Missbrauch stattgefunden hat", sagte Kaufmann dem Blatt weiter.

Ehemalige Schüler hätten geschildert, wie sie von Lehrern durch das Streicheln der Genitalien geweckt, wie sie als "sexuelle Dienstleister" für ganze Wochenenden eingeteilt und wie sie zum Oralverkehr gezwungen worden seien, berichtete die Zeitung. Einzelne Pädagogen hätten ihren Gästen Schüler zum sexuellen Missbrauch überlassen. Lehrer hätten Schutzbefohlene geschlagen, mit Drogen und Alkohol versorgt und beim gemeinschaftlichen Missbrauch eines Mädchens nicht eingegriffen.

Frühere Schüler hätten mindestens vier ehemalige Lehrer als Täter benannt, berichtete die Zeitung. Sie sollen mindestens 50 Schüler bis hin zur Vergewaltigung missbraucht haben. Ein Ermittlungsverfahren gegen den Ex-Leiter der Odenwaldschule wegen des Verdachts auf sexuellen Missbrauch wurde dem "FR"-Bericht zufolge 1999 wegen Verjährung eingestellt.

Betroffen Altschüler gingen von bis zu 100 Missbrauchsopfern aus. Der Vorstand habe den jahrelangen Missbrauch von Schutzbefohlenen durch Pädagogen eingeräumt. Ehemalige Schüler berichteten der Zeitung davon, wie sie von Lehrern regelmäßig durch das Streicheln der Genitalien geweckt, wie sie als "sexuelle Dienstleister" für ganze Wochenenden eingeteilt und wie sie zu Oralverkehr gezwungen worden seien.

Schavan fordert null Toleranz gegenüber sexueller Gewalt

Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) will die Prävention gegen Gewalt und Missbrauch in Schulen verstärken. "Wo immer in Schulen und Internaten der Verdacht besteht, dass Missbrauch und Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen vorliegen, muss es null Toleranz geben und vollständige Aufklärung erfolgen", sagte die CDU-Politikerin der "Bild am Sonntag". Um die Anliegen der Opfer zur Sprache zu bringen und die Fälle aufzuarbeiten, forderte Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger einen runden Tisch. Zuvor war bekanntgeworden, dass es auch in Südhessen an der renommierten Odenwald-Reformschule eine Reihe von Missbrauchsfällen gab.

Schavan kündigte für die kommenden Tage Gespräche mit dem Präsidenten der Kultusministerkonferenz und den Vorsitzenden der Lehrerverbände an, um über konkrete Maßnahmen zu beraten. Gewalt und Missbrauch gegenüber Schülern sei der schwerste vorstellbare Vertrauensbruch. "Das macht mich zornig", erklärte die Ministerin. Nichts dürfe verheimlicht werden. "Eltern müssen sich darauf verlassen können, dass ihre Kinder vor Missbrauch und Gewalt in pädagogischen Einrichtungen geschützt sind".

Leutheusser-Schnarrenberger plädierte erneut für die Einrichtung eines runden Tisches. "Besonders in Fällen, in denen die rechtliche Aufarbeitung nicht mehr möglich ist, kann ein runder Tisch den Dialog über die berechtigten Anliegen der Opfer eröffnen", sagte die FDP-Politikerin der "Welt am Sonntag". Die niedersächsische Familienministerin Mechthild Ross-Luttmann riet Eltern, sich bei einem Missbrauchsverdacht an den Kinderarzt zu wenden. "Wenn ein Kind sich auffällig verändert oder sich plötzlich stark zurückzieht, müssen bei den Eltern die Alarmglocken angehen", sagte sie der "Bild am Sonntag".

Auch die Katholische Kirche kündigte Unterstützung für die Aufklärungsbemühungen an. "Wir werden alles tun, was uns in Sachen Aufklärung und Prävention möglich ist", sagte der Missbrauchsbeauftragte der Bischofskonferenz, der Trierer Bischof Stephan Ackermann, der gleichen Zeitung. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, wird dem Papst dem Bericht zufolge am Freitag in Rom über den Skandal Bericht erstatten. Schon am Samstag betonte der Vatikan, zwei Missbrauchsfälle bei den Regensburger Domspatzen fielen nicht in die Amtszeit des Bruders von Papst Benedikt, Georg Ratzinger, als Domkapellmeister und Chorleiter dort von 1964 bis 1994.

(RTR/sdr)
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