Ein Plädoyer gegen Fremdenfeindlichkeit Sachsen, zeig dein anderes Gesicht!

Meinung | Düsseldorf · Freital, Meißen, Heidenau, Leipzig – immer wieder fallen die Namen sächsischer Städte im Zusammenhang mit fremdenfeindlichen Ausschreitungen. Unsere Autorin ist in Sachsen aufgewachsen und entsetzt über das Bild, das ihre Heimat derzeit abgibt. Ein Plädoyer zum #mundaufmachen.

Angela Merkel besucht Flüchtlingsheim in Heidenau
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Merkel besucht Flüchtlingsheim in Heidenau

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Freital, Meißen, Heidenau, Leipzig — immer wieder fallen die Namen sächsischer Städte im Zusammenhang mit fremdenfeindlichen Ausschreitungen. Unsere Autorin ist in Sachsen aufgewachsen und entsetzt über das Bild, das ihre Heimat derzeit abgibt. Ein Plädoyer zum #mundaufmachen.

Ich liebe Sachsen. Es ist meine Heimat, dort bin ich aufgewachsen. Dorthin kehre ich immer wieder gern zurück. Wer es besuchen will, dem gebe ich bereitwillig Tipps. Und aus Spaß spreche ich — mehr oder weniger zur Freude meines Umfelds — auch immer mal wieder Sächsisch. Doch in diesen Tagen bin ich mitunter sprachlos.

Flüchtlinge in Heidenau: Proteste auch am 3. Tag
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Dritter Tag in Folge: Proteste in Heidenau

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Ich bin entsetzt über die fremdenfeindlichen Ausschreitungen in Freital, Meißen, Heidenau. Ich bin schockiert, dass nach Rostock-Lichtenhagen und Hoyerswerda vor allem ostdeutsche Städte in Zusammenhang mit blindem Hass gegen Flüchtlinge in die Schlagzeilen geraten. Der sonst so stolze Freistaat zeigt sein hässlichstes Gesicht. Das Klischee des ausländerfeindlichen Ossis wird mehr denn je bedient.

"Sachsen, du kotzt mich an", schrieb ein Bekannter von mir jüngst auf seiner Facebook-Seite. Einerseits musste ich ihm zustimmen, andererseits war ich auch empört. Denn so sehr ich die fremdenfeindlichen Ausschreitungen verurteile, so sehr wende ich mich gegen jegliche Pauschalisierung. Sachsen kann auch anders, das beweisen viele Initiativen für Flüchtlinge Tag für Tag.

Heidenau: Randale und Gewalt vor Flüchtlingsunterkunft
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Randale und Gewalt vor Flüchtlingsheim in Heidenau

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Dass der Freistaat ein Problem mit Rechtsextremen hat, ist Fakt. Es ist schon seit vielen Jahren bekannt, dass gerade der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, zu dem auch Freital und Heidenau gehören, eine Hochburg der Neonazis ist. Lange saß die NPD im Landtag, flog bei der letzten Wahl aus dem Parlament — aber nur knapp.

Von der Politik ist das Problem immer wieder verdrängt worden, bis es sich nun in voller Wucht entladen hat. Freunde von mir, die in dieser Region des Bundeslandes aufgewachsen sind, berichten immer wieder von Ressentiments und dumpfen Parolen gegen Ausländer, die sie sich anhören mussten und müssen.

Sigmar Gabriel besucht Heidenau
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Sigmar Gabriel besucht Heidenau

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So habe ich meine Heimat nie erlebt. Ich bin in Leipzig aufgewachsen, in einem früheren Arbeiter-, heute alternativem Viertel. Wir wussten, in welchem Stadtteil die Nazis wohnten, mieden die Gegend. Ich erinnere mich an die Randalen zwischen Rechtsextremen und Linksautonomen kurz nach der Wende, an brennende Autos. Offen zur Schau getragener Rassismus dagegen war für mich fremd. Leipzig, die Messe- und Studentenstadt, galt und gilt als weltoffen. Umso mehr erschreckte mich die Nachricht vom Mittwoch, als auch dort ein Brandanschlag auf ein geplantes Flüchtlingsheim verübt wurde.

Studien zeigen, dass gerade in Regionen, in denen Menschen weniger Kontakt mit Ausländern haben, die Ressentiments gegen diese größer sind. Auch das ist Tatsache: Multikulti, das kennen viele Sachsen nicht, das kannte auch ich nicht. Multikulti habe ich erst wirklich in Düsseldorf kennengelernt. Umso mehr wird es Zeit, dass Aufklärung betrieben wird gegen Vorurteile, dass sich die Menschen mit den Schicksalen derjenigen beschäftigen, die ihre Heimat verlassen haben, weil ihnen Tod, Folter, Hunger droht.

Deshalb, liebe Sachsen: Sprecht miteinander, lernt euch kennen! Es kann nur eine Bereicherung sein — für euch und für die Flüchtlinge. Und ich bin mir sicher, dass die breite Masse in meiner Heimat genauso entsetzt über die rechten Parolen und fremdenfeindlichen Ausschreitungen ist wie ich selbst. Eine Masse, die leider schweigt oder zu leise ist. Deshalb: Verschafft euch Gehör, macht den Mund auf gegen dumpfe Parolen und Hass — auf der Straße und im Internet! Zeigt, dass ihr euch engagiert gegen Fremdenfeindlichkeit! Denn nur so können wir zeigen, dass unser Sachsen anders sein kann als so, wie es derzeit wahrgenommen wird: nämlich wunderschön, tolerant und weltoffen.

(das)
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