Fall Oury Jalloh Asylbewerber in Zelle verbrannt - neue Zweifel an Unfall-Theorie

Köln · 2005 kam Asylbewerber Oury Jalloh in einer Dessauer Polizeizelle ums Leben. Gutachten belegen laut einem Medienbericht, dass er wahrscheinlich durch Fremdeinwirkung starb. Die Staatsanwaltschaft Halle will das Verfahren dennoch einstellen.

Oury Jalloh: Tod in der Ausnüchterungszelle
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Wie das ARD-Magazin "Monitor" am Donnerstag unter Berufung auf Ermittlungsakten berichtete, kamen mehrere Sachverständige aus den Bereichen Brandschutz, Medizin und Chemie nach den jüngsten Gutachten und Brandversuchen zu dem Schluss, dass ein Tod durch Fremdeinwirkung wahrscheinlicher sei als die These einer Selbstanzündung.

Auch der langjährige Ermittler der Staatsanwaltschaft Dessau, der leitende Oberstaatsanwalt Folker Bittmann, hält es demnach laut einem Schreiben vom April für wahrscheinlich, dass Jalloh bereits vor Ausbruch des Feuers mindestens handlungsunfähig oder sogar schon tot war und mit Brandbeschleuniger besprüht und angezündet wurde. Oberstaatsanwalt Bittmann benennt dem Bericht zufolge in dem Brief sogar konkrete Verdächtige aus den Reihen der Dessauer Polizeibeamten.

Die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg in Sachsen-Anhalt hatte im vergangenen Jahr das Todesermittlungsverfahren zum Fall Jalloh an die Staatsanwaltschaft Halle übertragen. Diese kündigte im Oktober an, die Ermittlungen einstellen zu wollen.

Am Donnerstag reagierte die Staatsanwaltschaft Halle auf den Bericht der ARD und teilte mit, dass es keine neuen Erkenntnisse gebe. Alles, was von Sachverständigen und an Gutachten vorliege, sei aktenkundig gewesen, als die Entscheidung über die Einstellung des Verfahrens getroffen worden sei, sagte Oberstaatsanwältin Heike Geyer.

Der Feuertod von Oury Jalloh liegt rund zwölf Jahre zurück. Wie genau es am 7. Januar 2005 zum Tod des Asylbewerbers kam, ist auch in zwei Landgerichtprozessen nicht geklärt worden. Im Oktober hatte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen eingestellt. Die Familie hatte dagegen Beschwerde angekündigt. "Angesichts der neuen Erkenntnisse ist die drohende Einstellung des Verfahrens ein Skandal", sagte Rechtsanwältin Gabriele Heinecke dem ARD-Magazin. Sie ist die Anwältin der Familie Jalloh.

Jalloh war am 7. Januar 2005 verbrannt in einer Polizeizelle des Polizeireviers Dessau gefunden worden. Er lag dort an Händen und Füßen gefesselt auf einer Matratze. Das Landgericht Magdeburg verurteilte den damaligen Dienstleiter 2012 wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe, weil er Jalloh besser hätte überwachen müssen. Der Bundesgerichtshof bestätigte 2014 das Urteil, in dem davon ausgegangen wurde, dass der Mann aus Sierra Leone die Matratze selbst angezündet hatte.

Dies wird von einer Jalloh-Gedenkinitiative seit langem bezweifelt. Sie legte 2015 ein eigenes Gutachten vor, wonach es unwahrscheinlich sei, dass dieser die Matratze selbst hätte anzünden können. Außerdem deutete laut diesem Gutachten vieles auf einen Brandbeschleuniger hin. Dass die Ermittler keine Spuren von Brandbeschleuniger fanden, erklären die Gutachter der Initiative damit, dass diese womöglich vollständig vom Feuer vernichtet wurden.

(csr)
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