Heilbronn Mord an Polizistin wird zum Polit-Krimi

Heilbronn · Die Suche nach dem Mörder, der vor vier Jahren in Heilbronn eine 22-jährige Polizistin tötete, geht weiter. Jetzt ist klar, dass ein dringend tatverdächtiges Trio aus Ostdeutschland Verbindungen zur Neonazi-Szene hatte. Doch die Frau, die Licht ins Dunkel bringen könnte, schweigt.

"Die Wirklichkeit ist nun mal anders als im 'Tatort'", raunzt Rainer Wendt. "Solche Fälle löst man nicht in 45 Minuten." Zwei Sätze, die dem Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft gewiss nicht zum ersten Mal über die Lippen kommen. Sie sind die kleine Krücke, wenn die Ratlosigkeit riesig ist, wenn es, wie so oft bei Verbrechen, mehr Fragen als Antworten gibt. Denn auch Rainer Wendt, der erfahrene Fahnder, vermag die Fäden in Deutschlands derzeit verworrenstem Mordfall nicht zusammenzuführen, obwohl fast jeden Tag neue Details bekannt werden.

Eine tote Polizistin, erschossen im April 2007 im baden-württembergischen Heilbronn von unerkannt geflüchteten Tätern; zwei tote Männer, die sich am vergangenen Freitagvormittag im thüringischen Eisenach vermutlich nach einem Banküberfall und kurz bevor sie von der Polizei gestellt werden können, selbst das Leben nehmen, in einem Wohnmobil, aus dem unmittelbar darauf Flammen schlagen und in dem dann überraschend die Dienstwaffe des Heilbronner Opfers gefunden wird; ein Haus im 150 Kilometer entfernten sächsischen Zwickau, das nur Stunden später in die Luft fliegt, in dessen Trümmern die Polizei Handschellen der Heilbronner Beamtin sicherstellt sowie eine Waffe jenes Typs, aus dem sie damals ein Kopfschuss traf; eine 36-jährige Frau schließlich, die sich Anfang dieser Woche den Behörden stellt, die mit den mutmaßlichen Bankräubern unter einem Dach lebte in jenem Gebäude in der Frühlingstraße 26 in Zwickau, das sie wohl selbst in Schutt und Asche gelegt hat, mithin eine Schlüsselfigur, die seither jedoch beharrlich schweigt – all das sind Teile eines Puzzles, das sich noch immer nicht zu einem klaren Bild zusammenfügen will.

Kontakte zur rechtsextremen Szene

Allerdings wächst sich das mysteriöse Verbrechen seit Mittwoch zu einem regelrechten Polit-Krimi aus. Am Mittag endlich bestätigt das Innenministerium in Erfurt, was Politiker der Linken in Thüringen längst vermutet hatten: Das Trio aus Zwickau war im rechtsextremen "Thüringer Heimatschutz" aktiv gewesen und hatte offenbar höchst kriminelle Pläne gehegt. Die Dreier-Gruppe tauchte nach Angaben der Behörde 1998 unter, nachdem ihre Bombenwerkstatt in Jena ausgehoben worden war. Seitdem seien sie in Thüringen nicht mehr mit politisch motivierten Straftaten aufgefallen, sagt Landesinnenminister Jörg Geibert (CDU). Die Ermittlungen wegen des Baus von Sprengkörpern und Bombenattrappen werden 2003 wegen Verjährung eingestellt.

Wie aber blieben die drei Neonazis so lange unentdeckt, obwohl doch mit Fahndungsfotos nach ihnen gesucht wurde? Kerstin Köditz, Landtagsabgeordnete der Linken, ist überzeugt, dass die Flucht "nicht ohne behördliche Unterstützung" möglich gewesen sein könne.

Immerhin: Der Anführer des "Thüringer Heimatschutzes" arbeitet tatsächlich als V-Mann des Verfassungsschutzes. Waren Beate Z. und ihre Begleiter also möglicherweise ebenfalls Informanten der Behörde? Thüringens Verfassungsschützer weisen diese Vermutung zurück. Auch hätten "staatliche Stellen" den dreien vor rund 13 Jahren keinesfalls zur Flucht verholfen.

Uwe Wiegner, der Leiter der Zwickauer Staatsanwaltschaft, bekräftigt auf einer Pressekonferenz, es gebe keinerlei Erkenntnisse, dass sich das Trio in Zwickau in irgendeiner Form illegal betätigt habe, etwa durch die Versorgung der rechtsextremen Szene mit Waffen oder Geld. "Völlig unauffällig" hätten Beate Z. und die beiden Männer drei bis vier Jahre lang das Haus in der Frühlingsstraße bewohnt.

Weitere Waffen gefunden

Allenfalls ist den Ermittlern bekannt, dass die drei unter verschiedenen Namen auftraten. Und seit Montag wissen sie auch, wie schwer bewaffnet die Gruppe war: Unmittelbar nach der Explosion werden aus dem Trümmerhaus fünf Pistolen, ein Revolver und ein Repetiergewehr sichergestellt, am Mittwoch sind weitere Waffen aufgetaucht.

Offen bleibt einstweilen die Frage, ob früher eine Verbindung zwischen der toten Polizistin von Heilbronn und ihren Mördern bestand, denn das 22-jährige Opfer, Michèle Kiesewetter, stammte ebenfalls aus Thüringen. Mysteriös der Umstand, dass Beate Z., die mittlerweile im Frauengefängnis in Chemnitz einsitzt, schweigt, obwohl sie sich freiwillig stellte. Zumindest nach außen wenig koordiniert erscheint schließlich das Vorgehen der Ermittler: Für die Staatsanwaltschaft Stuttgart ist der Mordfall Michèle Kiesewetter klar.

Dort ist man erleichtert, konkrete Anhaltspunkte zu haben, nachdem über Jahre nach einer unbekannten weiblichen Person gefahndet worden war, die sich später nicht als Polizistenmörderin, sondern als harmlose Arbeiterin herausstellte, die die Teststäbchen zur Erbgutanalyse mit ihrer eigenen DNA verunreinigt hatte.

Die Staatsanwälte in Sachsen ermitteln gegen Beate Z. derweil nur wegen schwerer Brandstiftung. Die Kollegen in Thüringen wiederum sehen ihre Hauptaufgabe in der Aufklärung des Banküberfalls von Arnstadt. Eine überregionale Ermittlungsgruppe, so der sächsische Staatsanwalt Wiegener, gibt es derzeit nicht. Durchaus möglich also, dass sich die Lösung des Falls noch hinzieht.

(RP)
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