Großes Gefälle bei Lebenserwartung In Pirmasens stirbt man sieben Jahre früher als in Starnberg

Berlin · Menschen mit wenig Geld sterben in Deutschland im Schnitt deutlich früher als reiche. Die Lebenserwartung liegt in struktur- und einkommensschwachen Regionen erkennbar niedriger als in wohlhabenden Gegenden.

Statistisches Jahrbuch 2016: So lebt ein durchschnittlicher Deutscher
14 Bilder

Statistisches Jahrbuch 2016: So lebt ein durchschnittlicher Deutscher

14 Bilder
Foto: dpa, kjh gfh

Das zeigt eine Daten-Auswertung der Bundestagsabgeordneten Sabine Zimmermann von der Linkspartei, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Negativ betroffen sind etwa weite Teile Ostdeutschlands und Teile des Ruhrgebiets, des Saarlands und Frankens.

Besonders bei Männern sind die Unterschiede deutlich. Schlusslicht ist bei ihnen das rheinland-pfälzische Pirmasens mit einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 73,0 Jahren. Die höchste Lebenserwartung bei Männern gibt es demnach im bayerischen Starnberg mit 81,3 Jahren. Auch bei den Frauen belegt Pirmasens mit 77,1 Jahren den letzten Platz, statistisch am ältesten werden Frauen im Kreis Breisgau-Hochschwarzwald mit 85,0 Jahren.

In einer Antwort auf eine Anfrage Zimmermanns betont das Gesundheitsministerium: "Zahlreiche Maßnahmen der Bundesregierung zielen auf eine Verbesserung der gesundheitlichen Chancengleichheit." Mit dem 2015 in Kraft getretenen Präventionsgesetz würden die Krankenkassen verpflichtet, gezielt Leistungen zur Gesundheitsförderung und Prävention zu erbringen.

Hingegen argumentierte Zimmermann, Armut und damit schlechte Gesundheit würden von Generation an Generation weitergegeben. "Um das zu ändern, braucht es mehr als Programme zur Gesundheitsprävention", sagte sie der dpa. Nötig sei eine umfassende Bekämpfung von Armut und gesundheitsschädlichen Lebensverhältnissen - also etwa höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen gerade für Geringverdiener.

Felsengebirge, Biotope, Wald und Wiesen - Pirmasens in der Pfalz liegt in idyllischer Landschaft. Doch nirgends sonst in Deutschland ist die Lebenserwartung niedriger. Die ehemalige Schuhmachermetropole Pirmasens am Pfälzer Wald ist eine Stadt mit Strukturproblemen und hoher Verschuldung. Dicht gefolgt wird die Stadt von Hof in Franken (73,5 Jahre), Emden in Ostfriesland (73,6), Suhl (73,9) und Eisenach (74,1) in Thüringen und Straubing in Niederbayern (74,5). 74,6 Jahre lebt man im Durchschnitt in den Landkreisen Oberspreewald-Lausitz in Brandenburg, Stendal und Salzlandkreis in Sachsen-Anhalt sowie der Stadt Bremerhaven.

Der höchsten Lebenserwartung erfreuen sich die Männer demnach im reichen Starnberg. Dort sind es im Schnitt 81,3 Jahre. Es folgen der teure Hochtaunuskreis bei Frankfurt, München (jeweils 80,9), Böblingen in Baden-Württemberg (80,8), der Bodenseekreis und der Landkreis Ebersberg bei München (80,7 Jahre).

Eine Deutschlandkarte des Bundesinstituts BBSR zeigt Regionen mit hoher Lebenserwartung in sattem rotbraun - vor allem Baden-Württemberg, Teile Bayerns und Hessens sind so eingefärbt.

Die geografische Lage ist aber nicht die Ursache der Unterschiede. So beträgt die Lebenserwartung etwa in Gelsenkirchen im Ruhrgebiet bei den Männern im Schnitt nur bei 75,2 Jahren - in der 70 Kilometer entfernten, gediegenen Universitätsstadt Münster liegt sie 4,3 Jahre darüber.

Die Lebenserwartung steht - wie man schon länger weiß - in einer Beziehung zum Einkommen. Unterteilt man das Einkommen in seiner Spannbreite in fünf Gruppen von arm bis reich, dann liegt der Unterschied zwischen der niedrigsten und der höchsten Einkommensgruppe bei Männern bei 10,8 Jahren. Bei Frauen unterscheidet sich die Lebenserwartung immerhin noch um 8,4 Jahre. Das zeigen Daten des Robert Koch-Instituts (RKI). Das RKI hält auch einen Zusammenhang von Krankheit und sozialem Status für erwiesen: Bei schweren Erkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Diabetes oder chronischen Lungenerkrankung sind Sozialschwächere deutlich häufiger betroffen.

Es sind also nicht die Wetterverhältnisse in einer Region, es sind nicht die Sonnentage. In der Antwort auf die Anfrage Zimmermanns räumt die Bundesregierung ein, "dass günstigere sozioökonomische Bedingungen in der Wohnregion mit einer höheren Lebenserwartung einhergehen". Ursache seien Unterschiede bei Bildung, aber auch beim Rauchen, der Ernährung und der Bewegung - sowie bei den Arbeits- und weiteren Lebensbedingungen.

Zimmermann schlussfolgert: "Wer wenig verdient, muss häufiger schwere und gesundheitlich belastende Arbeit leisten, muss unter Lärm und Luftverschmutzung leiden, kann sich nicht so gut ernähren und stirbt früher als Besserverdiener." Arme litten häufiger an chronischen, aber auch an psychischen Krankheiten wie Depressionen. Die Linken-Fraktionsvize sagt: "Die Weichen dazu werden schon im frühen Alter gestellt."

(felt/dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort