Taufen und Trauungen beliebter Mitgliederschwund der Kirchen geht weiter

Bonn/Hannover · Wegen Skandalen um Missbrauch und Prasserei, schlecht kommunizierten Steueränderungen und einer wachsenden Glaubensmüdigkeit verlieren die Kirchen seit Jahren Mitglieder. Auch 2015 sank die Zahl der Katholiken und Protestanten in Deutschland nach der am Freitag vorgelegten Statistik - um über eine halbe Million auf rund 46 Millionen.

 Die Kirchenbänke bleiben in vielen Gemeinden weitgehend leer.

Die Kirchenbänke bleiben in vielen Gemeinden weitgehend leer.

Foto: dpa, ade tba rho

Gut die Hälfte der Bevölkerung - mehr als 56 Prozent - gehörten demnach noch einer der beiden großen Kirchen an. Zehn Jahre zuvor waren dies noch mehr als 62 Prozent. Aber es gibt auch positive Trends: Die Katholiken vermelden eine leicht steigende Zahl von Taufen und Trauungen. In den Bistümern Berlin, Dresden-Meißen, Görlitz und Hamburg hat die Zahl der Gläubigen leicht zugenommen.

Unter den Neu-Katholiken - nicht nur in diesen Bistümern - sind auch Zuwanderer aus Osteuropa, und bei beiden Kirchen melden sich verstärkt Flüchtlinge, die sich taufen lassen wollen. Nach den von der Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und der Deutsche Bischofskonferenz (DBK) vorgelegten Zahlen gab es im vergangenen Jahr 23,76 Millionen Katholiken (minus 177.666) und 22,27 Millionen Protestanten (minus 357 359).

Die Zahl der Austritte lag in der katholischen Kirche bei 181 925. Das entspricht etwa dem Niveau nach Aufdeckung des Missbrauchsskandals 2010, in den Jahren danach waren die Austrittszahlen zunächst stark zurückgegangen, um - auch im Zuge der "Protz-Affäre" um den damaligen Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst - wieder anzusteigen auf den Rekordwert von 217 716 im Jahr 2014. Aus der evangelischen Kirche traten 2015 rund 210.000 Menschen aus: Das waren 22 Prozent weniger als 2014, als rund 270.000 Austritte gezählt wurden.

Zuletzt hatten vermehrt Menschen der Kirche den Rücken gekehrt, weil mit der seit 2015 von den Banken automatisch auf Kapitalerträge eingezogenen Kirchensteuer bei manchem fälschlicherweise der Eindruck entstanden war, die Kirche erhebe eine neue Steuer.

"Die Statistik 2015 zeigt, dass die Kirche in Deutschland nach wie vor eine starke Kraft ist, deren Botschaft gehört und angenommen wird", sagte der DBK-Vorsitzende, der Münchner Kardinal Reinhard Marx. Trotz rückläufiger Kirchenaustritte dürfe die Kirche in ihrem seelsorglichen Bemühen nicht nachlassen. Ähnlich äußerte sich der EKD-Ratsvorsitzende, der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm.

Er meinte, dass die Kirche alle Kraft daran setzen werde, ihre Botschaft in die Öffentlichkeit zu bringen. "Von dieser Kraft lebt die Kirche, deshalb bin ich für die Zukunft der Kirche zuversichtlich." Als "nach wie vor dramatisch" wertete die kritische Basis-Initiative "Wir sind Kirche" die Austrittszahlen bei den Katholiken. So erfreulich die leichte Zunahme an Taufen und Trauungen auch sei, könne sie nicht über den fortdauernden Auszug aus der Kirche hinwegtäuschen. Dieser seit langem andauernde Trend gehe an die Substanz der Kirche.

Die Strukturreformen mit dem Zusammenlegen von Gemeinden müssten gestoppt und neue Zugänge zu den Menschen gesucht werden, die sich zwar mit der christlichen Botschaft identifizierten, aber kein Interesse mehr an überlebten kirchlichen Strukturen und Hierarchiedenken hätten.

(dpa)
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