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Zweijähriges Mädchen in Oberpfalz verhungert Jugendamt räumt Versäumnisse ein

Tirschenreuth (RPO). Nach dem Hungertod eines zweijährigen Mädchens im oberpfälzischen Tirschenreuth räumt das zuständige Jugendamt Versäumnisse ein und stellt sich seiner Mitverantwortung. Entgegen einer ausdrücklichen Dienstanweisung sei dem telefonischen Hinweis einer besorgten Nachbarin nicht nachgegangen worden, sagte der Sprecher des Landratsamts Tirschenreuth, Josef Hecht.

Verbrechen an Kindern
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Foto: ddp

"Die Fachkraft hat die Situation so beurteilt, dass keine akute Gefährdung der Kinder bestand und deshalb auch nicht reagiert." Dies sei ein schwerer Fehler gewesen, sagte Hecht am Dienstag. Die Nachbarin hatte bereits vor rund einem halben Jahr gemeldet, dass die Zweijährige und ihr vier Jahre alter Bruder nicht mehr so oft im Garten zu sehen seien. Die Kinder winkten nur aus dem Fenster. Außerdem kümmere sich der Großvater der Kinder, der in unmittelbarer Nachbarschaft wohnt, häufig um sie. Tirschenreuth liegt östlich von Bayreuth in der Nähe der tschechischen Grenze.

"Normalerweise haben wir ein wasserdichtes Verfahren, jedem Anruf wird nachgegangen", sagte Hecht. In allen Fällen würden die Familien nach Hinweisen auf Probleme von zwei Jugendamtsmitarbeitern besucht. "Unser Grundsatz lautet: Lieber einmal zu viel, als einmal zu wenig", versicherte der Behördensprecher. Warum ausgerechnet in diesem Fall nichts unternommen wurde, sei nicht nachvollziehbar.

Die 21-jährige alleinerziehende Mutter des Mädchens hatte ihre Tochter Lea am Samstag tot im Bett gefunden und einen Notarzt alarmiert. Eine Obduktion ergab, dass Lea an Unterernährung, Flüssigkeitsmangel und diversen weiteren Erkrankungen litt.

Zeitraum der Unetrversorgung unbekannt

Der Leitende Oberstaatsanwalt Gerd Schäfer sagte: "Man hätte eingreifen können und müssen." Nach Auffassung der Mediziner hätte das Mädchen bei einem rechtzeitigen Arztbesuch gerettet werden können. Gegen die Mutter wurde ein Verfahren wegen Totschlags durch Unterlassen eingeleitet. Am Montag wurde ein Haftbefehl erlassen und die Frau in Untersuchungshaft genommen.

Wie lange Lea Hunger und Durst leiden musste, lasse sich nicht genau eingrenzen, sagte Schäfer. Die akute Unterversorgung des Kindes sei aber wohl erst in jüngster Zeit aufgetreten. "Das waren keine Monate, sondern eher Tage bis wenige Wochen", sagte der Weidener Oberstaatsanwalt.

Wieso die Mutter ihr Kleinkind plötzlich nicht mehr fütterte, sei noch offen. "Ich will nicht darüber spekulieren, was da los war." Die Trennung vom 27 Jahre alten Kindsvater könne aber nicht der unmittelbare Auslöser gewesen sein. "Das war schon mehrere Monate her", sagte der Chef der Staatsanwaltschaft.

Der Vater sei bereits vernommen worden. "Es gibt derzeit keinen Grund für Ermittlungen gegen ihn", sagte Schäfer. Der Mann verhalte sich sehr kooperativ und kümmere sich um das zweite gemeinsame Kind, einen vierjährigen Jungen. Dem Bruder des toten Mädchens, der bislang ebenfalls bei der Mutter lebte, sei zumindest äußerlich keine Verwahrlosung anzusehen. "Mit dem Vater gibt es keinerlei Probleme", sagte der Chefermittler. Der Mann habe auch nach der Trennung immer wieder Kontakt zu seinen beiden Kindern gesucht.

Kinderhilfe verlangt Bundesweites Gesetz

Augenzeugen beschrieben in der Weidener Zeitung "Der neue Tag" die Wohnung, in der die Kinder lebten, als "extrem verwahrlost" und "zugemüllt". Um den Familienhund habe sich die Frau aber gut gekümmert. "Der Fressnapf war voll bis zum Rand", sagte einer der Zeugen dem Blatt. Oberstaatsanwalt Schäfer sagte, den Zustand der Wohnung könne man unterschiedlich beurteilen. "Blitzblank" sei es aber nicht gewesen.

Die Deutsche Kinderhilfe hat nach dem Hungertod der zweijährigen Lea im oberpfälzischen Tirschenreuth eine unzureichende Rechtslage für ein präventives Eingreifen der Jugendämter beklagt. "An einem bundesweiten Kinderschutzgesetz, das sowohl die Prävention als auch die Intervention regelt, kommt die Politik nicht vorbei, denn die Strukturkrise der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland dauert immer noch an", monierte der Verbandsvorsitzende Georg Ehrmann am Dienstag in Berlin.

Die Organisation verlangt ein Kinderschutzgesetz noch in diesem Jahr. Das Jugendamt Tirschenreuth hatte zuvor Fehler im Fall des verhungerten Mädchens eingeräumt. Der Hungertod von Lea verdeutliche die Krise der Jugendhilfe in Deutschland. Die Einschätzung einer Kindeswohlgefährdung und die Entscheidung über einen Besuch bei der Familie dürften nicht im Ermessen eines einzelnen Sachbearbeiters liegen, sondern müssten auf einer gesetzlichen Pflicht beruhen, fordert die Kinderhilfe. Die 600 deutschen Jugendämter arbeiteten völlig unterschiedlich.

(DDP/awei)
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