Unwetter in Deutschland Im Katastrophenschutz fehlen Freiwillige

Düsseldorf · Durch heftigen Regen und Sturm sind in Süddeutschland vier Menschen umgekommen. In NRW waren vor allem Euskirchen, Wesel, Borken und Bottrop betroffen, wo Straßen, Unterführungen und Keller überflutet wurden.

Die jüngsten Unwetter haben Befürchtungen über einen Mangel an ehrenamtlichen Helfern im Katastrophenfall ausgelöst. Die innenpolitische Sprecherin der Grünen im nordrhein-westfälischen Landtag, Verena Schäffer, forderte mehr Unterstützung für den ehrenamtlichen Katastrophenschutz. "Der demografische Wandel und die sinkende Bereitschaft der Arbeitgeber, Mitarbeiter für solche Aufgaben freizustellen, sind eine Gefahr für den Katastrophenschutz in Nordrhein-Westfalen", sagte Schäffer: "Ohne die Freiwilligen geht es nicht." Das räumt auch die Deutsche Feuerwehrgewerkschaft ein: "Die Berufsfeuerwehr ist nur die Speerspitze", sagte Feuerwehr-Gewerkschafter Dirk Viertelhans.

42.000 aktive Helfer weniger

Eine Studie des Bundesamts für Bevölkerungsschutz zitiert Schätzungen, die für den Zeitraum 2006 bis 2025 von einem Rückgang der Zahl der Freiwilligen im Rettungswesen und im Katastrophenschutz um ein Viertel ausgehen. Das Ende des zivilen Ersatzdienstes zum Beispiel trifft die deutschen Feuerwehren besonders hart: Sie verlieren Fachmedien zufolge pro Jahr etwa 10.000 Brandschützer. Allein die Freiwilligen Feuerwehren in NRW sind innerhalb der vergangenen acht Jahre um rund 8000 Mitglieder geschrumpft. Das Technische Hilfswerk hat seit 2008 fast 3500 seiner damals mehr als 42.000 aktiven Helfer eingebüßt.

Von den jüngsten Unwettern war der Süden Deutschlands am stärksten betroffen. In Schwäbisch Gmünd wurden zwei vermisste Männer tot in einer Bahnunterführung geborgen. Ein 38 Jahre alter Feuerwehrmann hatte vergeblich versucht, einen 21-Jährigen aus dem Schacht zu befreien - beide kamen um. Im Hohenlohekreis starb ein 60 Jahre alter Mann in einer Tiefgarage. Eine 13-Jährige wollte unter einer Bahnbrücke bei Schorndorf Schutz vor dem Regen suchen und wurde von einem Zug überrollt. In Nordrhein-Westfalen traf es das nördliche Ruhrgebiet am schlimmsten. Teilweise stand das Wasser meterhoch. So heftig wie im Süden war das Unwetter in NRW aber nicht.

Extreme Wetterlagen könnten wegen des Klimawandels künftig noch häufiger auftreten. Nach einer Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und der Versicherungswirtschaft könnte die Zahl der Schadensfälle durch Sturm und Überschwemmungen bis 2100 um mindestens 50 Prozent zunehmen. Entsprechend müssen sich die Städte auf noch größere Wassermassen einstellen.

"Die Extremereignisse werden in Zukunft noch stärker ausfallen", sagte Uwe Kirsche vom Deutschen Wetterdienst. Umstritten sei zwar, ob die Häufigkeit von Starkregen zunehme. Klar sei aber, dass mit "viel größeren Schäden als bisher" zu rechnen sei. Die Kommunen müssten ihre Infrastruktur verbessern, das Fassungsvermögen des in manchen Städten 100 Jahre alten Kanalsystems sollte laut Kirsche erweitert werden: "Ziel muss sein, dass die Gullideckel nicht häufiger fliegen."

Bauen nur noch unter Auflagen

Auch der Hochwasserschutz ist vielerorts unzureichend. Im Rückstand seien die Länder etwa bei der Ausweisung von Überschwemmungsgebieten in der Nähe von Flüssen, sagte Christfried Tschepe, Vorstand der Bundesarchitektenkammer. "Die Länder werden das nicht innerhalb der vorgesehenen Fristen schaffen", so Tschepe.

In Überschwemmungsgebieten soll künftig gar nicht oder nur noch unter Auflagen gebaut werden können. Um diese Flächen zu identifizieren, wurden den Ländern Übergangsfristen eingeräumt, die laut Tschepe teils aber schon überschritten sind.

(may-)
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