Krawalle in Heidenau "Menschlich mitten in der Nacht angekommen"

Berlin · Politiker reagieren geschockt auf die gewalttätige Fremdenfeindlichkeit in Sachsen. Innenminister de Maiziere verurteilt die Krawalle in Heidenau und kündigt die Anwendung der "gesamten Härte des Rechtsstaates" angekündigt. Auch der bisherige Bischof von Dresden-Meißen findet eindringliche Worte.

Heidenau: Randale und Gewalt vor Flüchtlingsunterkunft
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Randale und Gewalt vor Flüchtlingsheim in Heidenau

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"Wir haben eine gewaltige Welle von Hilfsbereitschaft, aber zugleich einen Anstieg von Hass, Beleidigungen und Gewalt gegen Asylbewerber.
Das ist für unser Land unwürdig und unanständig", sagte Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) der "Bild am Sonntag". Im Berliner "Tagesspiegel" erklärte er: "Die Vorgänge sind beschämend für unser Land und absolut inakzeptabel." Auch ein Asylbewerber, "der morgen abgeschoben wird", habe heute Anspruch auf eine faire Behandlung und darauf, in Frieden zu leben.

Die Grünen-Fraktionschefin im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, warf dem Staat Versagen vor. "Wenn ein rechter Mob in zwei Nächten nacheinander Menschen bedrohen kann, dann ist das Gewaltmonopol des Staates in Gefahr", sagte sie in Berlin. Heidenau sei eine direkte Folge der falsch verstandenen Toleranz der sächsischen Landesregierung gegenüber "Pegida".

"Wir lassen uns das nicht bieten"

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) erklärte im "Tagesspiegel": "Mich erschüttern die Ereignisse zutiefst. Das ist Menschenhass mit erschreckender Gewalt gegen Polizisten und gegen Flüchtlinge, die bei uns Schutz suchen. Wir lassen uns das nicht bieten, wir werden mit aller Macht dagegen vorgehen. Das ist nicht unser Sachsen. Hier verstößt eine Minderheit brutal gegen Werte und Gesetze Deutschlands."

Am Samstagabend war es am zweiten Abend in Folge vor dem Notquartier für Flüchtlinge in Heidenau bei Dresden zu Krawallen gekommen. Rechte Demonstranten warfen Bierflaschen und Böller auf Polizisten. Die Polizei ging mit Schutzschilden gegen die Krawallmacher vor und räumte die Straße, zwei Beamte wurden verletzt.

"Menschlich mitten in der Nacht angekommen"

Am Wochenende hatten weitere hochrangige Vertreter aus Kirche und Politik die gewaltsamen, rassistischen Ausschreitungen in Heidenau scharf verurteilt. Der bisherige Bischof von Dresden-Meißen, Erzbischof Heiner Koch, sagte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Samstag: "Dass Steine und Brandsätze fliegen und Flüchtlinge nur über Umwege erst um Mitternacht bei uns ihre Unterkunft erreichen können, zeigt, dass wir menschlich mitten in der Nacht angekommen sind." Er habe Verständnis für manche Anfrage an die gegenwärtige Flüchtlingspolitik, aber das unsolidarische Verhalten Europas sei "eine Zumutung", so der neue Berliner Erzbischof.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) erklärte, gegenüber Fremdenfeindlichkeit und Rassismus gelte "null Toleranz." Der künftige evangelische Landesbischof von Sachsen, Carsten Rentzing, sagte der "Welt", die Kirche müsse sich klar von und Fremdenfeindlichkeit abgrenzen und scharf dagegen protestieren. Auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) kritisierte die fremdenfeindliche Demonstration in Heidenau wie in anderen Städten: "Besorgte Menschen" versammelten sich dort hinter "Nazis und Rattenfängern".

NPD organisierte Demo in Pirna

In der Nacht zu Samstag war eine von der NPD organisierte Demonstration mit anfänglich 1000 Teilnehmern in der Kleinstadt bei Pirna eskaliert. Die Polizei musste mit Pfefferspray gegen die rund 600 Demonstranten vor einer provisorischen Asylunterkunft vorgehen.

Laut Polizei bewarfen Störer die Beamten mit Steinen, Flaschen und Böllern. Es habe Verletzte auf beiden Seiten gegeben, darunter 31 Polizisten, einer davon schwer. Mehrere Busse mit Flüchtlingen musste zunächst umgeleitet werden.
Gegen ein Uhr nachts konnten die ersten Asylsuchenden ihr neues Quartier beziehen. In dem ehemaligen Baumarkt sollen künftig bis zu 600 Menschen unterkommen.

(KNA)
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