Nach Ausschreitungen von Salafisten in Bonn Haftbefehl gegen 25-Jährigen erlassen

Bonn · Nach den schweren Ausschreitungen salafistischer Gewalttäter in Bonn hat ein Gericht am Abend Haftbefehl gegen einen 25-jährigen Mann aus Hessen erlassen. Dem gebürtigen Türken werde versuchte Tötung vorgeworfen, wie unsere Redaktion aus Ermittlerkreisen erfuhr.

Bonn: Pro NRW provoziert Muslime
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Der Mann soll bei Auseinandersetzungen zwischen der rechtsextremen Organisation "Pro NRW" und radikalislamischen Salafisten am Samstag drei Polizisten mit einem Messer attackiert haben.

Bei einer Demo gegen eine islamfeindliche Aktion ist es am Samstag in Bonn zu Ausschreitungen gekommen. Zwei Polizisten wurden durch Messerstiche von radikal-islamischen Salafisten verletzt. Eine Mordkommission ermittelt. NRW-Innenminister Ralf Jäger zeigte sich entsetzt über die neue Gewalt.

Nach neuen gewalttätigen Ausschreitungen von Salafisten bei einer Provokation durch eine rechte Splitterpartei hat sich Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) entsetzt gezeigt. "Die systematischen Provokationen der Rechtsextremisten von Pro NRW mit islamfeindlichen Karikaturen rechtfertigen in keinster Weise diese Ausschreitungen", sagte Jäger am Sonntag in Düsseldorf. "Das waren keine spontanen Angriffe, denn die Salafisten hatten zuvor intensiv bundesweit für ihre Aktion mobilisiert."

Jäger will künftig das Zeigen der umstrittenen Karikatur des dänischen Zeichners Kurt Westergaard unterbinden. Man müsse die Beamten vor den gewalttätigen Angriffen der radikalislamischen Salafisten schützen, sagte er am Sonntag. Deswegen habe er erneut Auflagen erteilt, wonach Pro NRW die islamkritische Karikatur bei ihren Aktionen nicht zeigen dürfe. Er hoffe, dass diese Auflagen auch vor Gericht "Bestand haben".

Bei den gewalttätigen Ausschreitungen waren am Samstag 29 Polizisten verletzt worden, zwei von ihnen schwer. Gegendemonstranten aus dem salafistischen Umfeld hätten Polizisten angegriffen und mit Steinen beworfen, teilte die Polizei mit. Eine Beamtin und ein Beamter seien durch Messerstiche schwer verletzt worden und würden stationär in einem Krankenhaus behandelt.

Die Tatverdächtigen seien noch vor Ort festgenommen worden. Insgesamt gab es bis zum späten Abend mehr als 100 Festnahmen. Eine Mordkommission der Bonner Polizei und die Staatsanwaltschaft nahmen wegen der Messerattacken Ermittlungen auf.

Laut Polizei demonstrierte "Pro NRW" ab kurz nach 15 Uhr mit etwa 30 Teilnehmern vor der König-Fahd-Akademie in Bonn. Anhänger der rechten Splitterpartei Pro NRW hatten zuvor islamfeindliche Karikaturen gezeigt. Demnach riefen die Veranstalter der Gegendemonstration, der Rat der Muslime, ihre Teilnehmer mehrfach zu Besonnenheit und Friedlichkeit auf. Gegen 15.30 Uhr sei die zunächst friedliche Gegendemonstration jedoch in Gewalt umgeschlagen. Nähere Angaben will die Polizei am Sonntag bei einer Pressekonferenz machen.

In Berlin kam es zu einer Rangelei zwischen Salafisten und Rechtspopulisten der Partei Pro Deutschland, bei der nach Polizeiangaben ein Beamter leicht verletzt wurde.

Veranstaltung nach 45 Minuten beendet

In Bonn standen den weniger als 30 Pro-NRW-Leuten nach Polizeiangaben 500 bis 600 Gegendemonstranten gegenüber. Die Polizei habe zwischen beiden Seiten Mannschaftswagen geparkt, um die Situation zu entschärfen, berichtete ein Sprecher. Bei den Attacken seien auch Einsatzfahrzeuge beschädigt worden. Insgesamt seien 48 Pro-NRW-Gegner festgenommen worden. Die Polizei habe die Veranstaltung nach rund 45 Minuten beendet.

Bei den Festgenommenen seien ein Schlagstock sowie Steine und eine Steinschleuder sichergestellt worden. Auch nach dem Ende der Veranstaltung seien Demonstranten weiterhin aggressiv gegenüber der Polizei aufgetreten.

Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) warf den Rechtsextremisten im WDR-Fernsehen vor, die gewalttätigen Salafisten gezielte provoziert zu haben. Gleichzeitig betonte er die friedliche Haltung der überwiegenden Mehrheit der Muslime.

Bereits am 1. Mai war es in Solingen am Rande eines Pro-NRW-Auftritts zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen. Fundamentalistische Muslime hatten die Polizei attackiert und drei Beamte verletzt, nachdem Pro-NRW-Anhänger nahe einer Moschee Karikaturen des Propheten Mohammed gezeigt hatten. Dessen bildliche Darstellung ist im Islam verboten. Die Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen in Dänemark hatte bereits 2005 zu teils tödlichen Protesten von Muslimen in aller Welt geführt.

Verteilung von Gratis-Koranen

Der Salafismus ist nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes ein Sammelbecken für gewaltbereite Islamisten. Er hat in Deutschland rund 2500 Anhänger. Salafisten vertreten einen rückwärtsgewandten Ur-Islam und lehnen jede theologische Modernisierung ab. Sie vertreten diskriminierende Positionen gegen Frauen und bestehen auf deren Vollverschleierung. Seit Wochen machen sie in Deutschland mit der Verteilung kostenloser Koran-Exemplare von sich reden. Auch die Auseinandersetzung am Samstag in Berlin entzündete sich an einer solchen Aktion.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hält den Salafismus für eine Keimzelle des Islamisten-Terrors in Deutschland. "Von seinen fanatischen Anhängern geht eine besondere Gefährdung für die Sicherheit Deutschlands aus", sagte er der "Bild am Sonntag". "Die Salafisten liefern die ideologische Basis für viele, die dann gewalttätig werden."

(lnw/AFP/dpa/Polizei)
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