Interview mit Kriminalpsychologe Pfeiffer Gewalt als Machtsymbol

Düsseldorf (RP). Im Auftrag der Bundesregierung ließ Christian Pfeiffer eine repräsentative Gruppe von 5832 Frauen zu Vergewaltigung in der Ehe oder Partnerschaft befragen. Im Interview spricht der Kriminalpsychologe über die Ursachen und Folgen derartiger Übergriffe.

Wie hoch ist das Risiko, vom eigenen Partner vergewaltigt zu werden?

Pfeiffer: In unserer Befragung gaben 5,7 Prozent der Frauen an, schon von ihrem Ehemann oder Partner sexuell missbraucht worden zu sein. Die Frage, ob sie außerhalb ihrer Partnerschaft schon einmal vergewaltigt worden sind, beantworteten 2,9 Prozent mit Ja. Vom eigenen Partner geht also eine deutlich größere Gefahr aus als von anderen Männern.

Unter welchen Umständen kommt es in Ehe oder Partnerschaft zu einer Vergewaltigung?

Pfeiffer: Solche Gewalttaten werden häufig durch extreme Stresssituationen ausgelöst, zum Beispiel, wenn ein Mann seinen Job verliert. Wer lange mit seinem Lkw über die Straßen Europas donnerte und plötzlich zuschauen soll, wie seine Frau das Geld verdient, der kann in eine Krise geraten. Kommt noch Alkohol dazu, kann es sein, dass er sein angeschlagenes Ego dadurch zu stabilisieren versucht, dass er den ehelichen Geschlechtsverkehr erzwingt. Auch wenn die Frau den Mann als Lebenspartner infrage stellt oder droht, ihn zu verlassen, kommen manche Männer in Versuchung, durch körperliche Überlegenheit zu demonstrieren, wer das Sagen hat.

Wer reagiert dann mit Gewalt?

Pfeiffer: Je narzisstischer ein Mann ist, je egozentrischer und je stärker er sich über seine Dominanz definiert, desto wahrscheinlicher ist, dass er auf eine Kränkung mit Gewalt reagiert. Knapp 60 Prozent der Vergewaltigungen in Beziehungen passieren unseren Erkenntnissen zufolge zwischen Partnern, in denen der Mann vorher schon massiv geschlagen hat. Solche "Macho-Typen" rasten auch sonst häufig aus. Sie können sich nicht unterordnen, haben im Zweifelsfall nicht gelernt, Konflikte verbal zu lösen.

Vergewaltigung in der Beziehung als Unterschichtenphänomen?

Pfeiffer: Vergewaltigungen in Beziehungen kommen in der Unterschicht zwar deutlich häufiger vor als in anderen Schichten, trotzdem aber auch klar unter Akademikern.

Wie viele der Opfer wehren sich durch eine Anzeige?

Pfeiffer: Die wenigsten. Von den Frauen, die von einem Fremden vergewaltigt wurden, waren es bei unserer Studie immerhin 60 Prozent. Handelt es sich beim Täter um den eigenen Partner, sind es noch höchstens fünf Prozent. Zu der massiven Enttäuschung über einen vermeintlich geliebten Menschen kommen bei vielen Opfern Selbstzweifel und Vorwürfe. Viele Frauen fragen sich, was sie falsch gemacht haben — und erdulden die Gewalt über einen sehr langen Zeitraum.

Wie lässt sich eine Vergewaltigung innerhalb einer Beziehung nachweisen?

Pfeiffer: Im Grunde hat die Frau nur eine Chance, vom Gericht ernstgenommen zu werden, wenn sie unmittelbar nach der Tat von einem Arzt feststellen lässt, dass es unter Gewalteinwirkung zum Geschlechtsverkehr kam. Hilfreich ist es auch, wenn nachher eine Bekannte bestätigen kann, dass die Frau nach der Tat völlig aufgelöst und verzweifelt war.

Eine zu Unrecht angestrengte Anzeige, etwa aus Rache, wäre also nicht sehr aussichtsreich?

Pfeiffer: Richtig. Zudem dürfte es doch nur selten vorkommen, dass eine Frau eine derartige Anzeige völlig unbegründet anstrengt. Sie muss davon ausgehen, dass sie sich dadurch massiven Stress zufügt und sich mit der Aussage, vergewaltigt worden zu sein, gewissermaßen selbst beschmutzt. Zumindest empfinden das die Frauen nicht selten so, dass ihr Umfeld entsprechend reagiert.

(RP)
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