Streit um Sicherheitsvorkehrungen Gericht vertagt Entscheidung zu Schausteller-Klage
Lüneburg · Droht Kirmes-Klassikern wie etwa dem Riesenrad das Aus? Das zumindest befürchten Karussell-Betreiber. Grund seien verschärfte Sicherheitsvorgaben. Vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht wird ein Urteil mit Signalwirkung erwartet.
Das Berufungsverfahren eines Schaustellers gegen den TÜV Nord um neue Sicherheitsvorschriften für Fahrgeschäfte zieht sich hin. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht beschloss am Mittwoch, vorerst kein Urteil zu verkünden. Das teilte eine Sprecherin des Gerichts in Lüneburg mit. Demnach gab das Gericht dem TÜV Nord die Beantwortung mehrerer Fragen auf, bevor es zu einer Entscheidung kommen will. Ein neuer Termin in der Sache wurde noch nicht bestimmt.
Die deutschen Karussell-Betreiber wehren sich gerichtlich gegen eine Verschärfung der Sicherheitsbestimmungen für ihre Fahrgeschäfte. Sie befürchten, dass einige Klassiker wie Riesenrad, Krake oder Musik-Express künftig von der Kirmes verschwinden könnten. Denn die Genehmigungen für solche Volksfest-Attraktionen werden nur noch erteilt, wenn sie die neue EU-Norm DIN EN 13814 erfüllen. Allein die Überprüfung der alten Anlagen kostet die Betreiber nach Angaben des Deutschen Schaustellerbundes Tausende von Euro. Viele sehen deshalb ihre Existenz bedroht.
Stellvertretend klagte am Mittwoch der Achterbahn-Besitzer Heiko Schierenbeck vor dem Oberverwaltungsgericht gegen den TÜV Nord als vom Land Niedersachsen beauftragte Prüfbehörde. Der Kläger aus Weyhe bei Bremen machte geltend, dass die neue EU-Norm einen Bestandsschutz für alte Anlagen vorsieht. Auf diesen Bestandsschutz hatten die Bundesländer anders als andere europäische Staaten jedoch bei der Übernahme in deutsches Recht verzichtet. Ob dies zulässig ist, darüber haben die Lüneburger Richter zu entscheiden. Ihr Urteil wird Signalwirkung für die Branche haben.
Die Schausteller werfen den Behörden Regulierungswut vor. Ein Sprecher des in Niedersachsen zuständigen Sozialministeriums sagte dazu: "Die Landesregierung stellt weiterhin die Sicherheit für die Nutzerinnen und Nutzer der Fahrgeschäfte vor die wirtschaftlichen Interessen der Schausteller." Dennoch werde Niedersachsen anregen, das Thema wieder auf die Agenda der Bauministerkonferenz zu setzen.
"Unsere Fahrgeschäfte in Deutschland sind die sichersten in ganz Europa", sagte Kläger Schierenbeck vor Gericht. Eine neue Prüfregel sei gar nicht notwendig. Jeder Betreiber müsse mit Kosten von mindestens 30 000 Euro rechnen - allein, um kontrollieren zu lassen, ob sein Fahrgeschäft der EU-Norm entspricht. Ihm gehe es aber nicht nur ums Geld, betonte der Schausteller. Bauliche Veränderungen an alten Fahrgeschäften griffen in technisch bewährte Konstruktionen ein und könnten eine neue Gefahrenquelle darstellen.
Der Vorsitzende Richter Sören Claus erinnerte daran, dass die Genehmigungen der Prüfbehörden immer nur für höchstens fünf Jahre erteilt werden. Es handele sich nicht um eine dauerhaft geltende Baugenehmigung wie für ein Haus, gab der Richter zu bedenken.
In erster Instanz vor dem Verwaltungsgericht Hannover hatte Schierenbeck im vergangenen Oktober Erfolg, der TÜV Nord ging jedoch in Berufung. Das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg will nun in der Sache erst entscheiden, wenn der TÜV Nord einige Fragen beantwortet hat. Dabei geht es um den Sicherheitsgewinn, den die Anforderungen der EU-Norm bringen würden, sowie um die voraussichtlichen Kosten einer Anpassung.