Soziale Medien zu #TeamGinaLisa Fall Lohfink treibt Debatte um Sexualstrafrecht an

Berlin/Düsseldorf · Ex-Topmodelkandidatin Gina-Lisa Lohfink steht derzeit in Berlin vor Gericht, weil sie zwei Männer fälschlicherweise der Vergewaltigung bezichtigt haben soll. In den sozialen Medien und in der Politik wird dadurch die Diskussion über die Verschärfung des Sexualstrafrechts befeuert.

 Sichtlich um Fassung ringend tritt Gina-Lisa Lohfink am 1. Juni vor dem Amtsgericht Berlin Tiergarten auf.

Sichtlich um Fassung ringend tritt Gina-Lisa Lohfink am 1. Juni vor dem Amtsgericht Berlin Tiergarten auf.

Foto: dpa, kdg axs

Unter dem Hashtag #NeinheißtNein und #TeamGinaLisa solidarisiert sich die Netzgemeinde derzeit mit dem Erotikmodel Gina-Lisa Lohfink. Die 29-Jährige ist vor allem durch die Model-Castingshow Germany's Next Topmodel bekannt geworden. In der dritten Staffel des ProSieben-Formats trat sie als Platin-Blondine auf und gewann die Sympathien der Zuschauer.

In der Folge machte die Blondine vor allem mit Brustvergrößerungen, Internet-Pornos und Auftritten bei Erotik-Messen auf sich aufmerksam. Dieses könnte ihr nun zum Verhängnis werden. Denn Lohfink muss sich derzeit vor Gericht verantworten — wegen falscher Verdächtigungen. Der Fall reicht bereits vier Jahre zurück und liest sich einigermaßen kurios.

Die Geschichte, die vor dem Berliner Amtsgericht verhandelt wurde, geht so: 2012 tauchen Internet-Videos auf, die Gina-Lisa Lohfink und zwei Männer beim Sex zeigen. Lohfink zeigt die beiden Männer an, bei denen es sich um den Fußballer Pardis F. (28) und Sebastian C. (34) handelt, ein VIP-Betreuer in einem Berliner Club. Vor Gericht werden die beiden zu einer Geldstrafe verurteilt, weil sie den höchstpersönlichen Lebensbereich von Lohfink durch die Bildaufnahmen verletzt haben.

Doch die Vorwürfe reichen noch weiter: Lohfink spricht davon, dass sie K.o.-Tropfen verabreicht bekommen habe und dass sie von den beiden Männern vergewaltigt worden sei. Auf dem Video soll tatsächlich auch zu sehen sein, wie sich das Model verbal wehrt. Doch das Gericht sah den Tatbestand der Vergewaltigung nicht erfüllt.

Vor dem Berliner Amtsgericht wird der Fall nun erneut verhandelt — aber dieses Mal sitzt Lohfink auf der Anklagebank. 24.000 Euro soll sie zahlen, weil sie die beiden Männer fälschlich beschuldigt haben soll. Und das sorgt in den sozialen Medien für eine Welle der Solidarität.

Obwohl das Verfahren noch läuft und noch kein Urteil gesprochen wurde, trifft der Fall einen gesellschaftlichen Nerv. Im Bundestag wird ohnehin gerade ein Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums verhandelt, der das Sexualstrafrecht verschärfen soll. Nun ruft der Fall Gina-Lisa Lohfink die Befürworter des "Nein-heißt-Nein"-Prinzips auf den Plan.

Bislang ist der Tatbestand der sexuellen Nötigung, unter den auch die Vergewaltigung fällt, nur dann erfüllt, wenn der Täter entweder Gewalt anwendet, diese androht, oder das Opfer ihm hilflos ausgeliefert ist. Kritikern zu Folge erfasst das eine Reihe von Situationen nicht. Etwa solche Umstände, wenn das Opfer überrumpelt wird, wenn es nicht mit einem sexuellen Übergriff rechnet und dadurch nicht reagieren kann. Außerdem sind auch solche Fälle nicht erfasst, in denen das Opfer zwar "Nein" sagt, es dann aber doch zu sexuellen Handlungen kommt.

Zumindest ersteres möchte Bundesjustizminister Heiko Maas nun ändern. Er möchte dem Paragrafen 179 des Strafgesetzbuches einen Absatz hinzufügen, in dem "Überrumpelung" ein Tatbestand wird. Der Regierungsenentwurf für das Gesetz wurde nach den Vorfällen in der Kölner Silvesternacht im Parlament diskutiert.

Doch dem Deutschen Juristinnenbund (djb) gehen diese Reformen nicht weit genug. Der djb begrüße zwar, Strafbarkeitslücken in gravierenden Fällen sexueller und sexualisierter Übergriffe zu schließen, das greife aber im Hinblick auf die Kriminalisierung nicht einverständlicher sexueller Handlungen zu kurz. So steht es in einer offiziellen Stellungnahme vom 18. Februar 2016. "In useren Gesetzen muss deutlich werden, dass die sexuelle Selbstbestimmung einer Person ebenso voraussetzungslos geschützt ist wie ihr Portemonnaie auf dem Tisch", schreibt der djb in einer Stellungnahme vom 31. Mai 2016.

"Sexuelle Selbstbestimmung ist Teil der Würde eines jeden Menschen und deshalb ein Menschenrecht", sagt Dagmar Freudenberg. Die Juristin leitet die Strafrechts-Kommission des djb. "Es muss strafbar sein, wenn sich jemand über ein ausdrückliches Nein hinwegsetzt." Die Praxistauglichkeit des "Nein-heißt-Nein"-Prinzips steht bei Gegnern in Frage. Vor Gericht sei ein "Nein" nur schwer nachweisbar. Das jedoch möchte Dagmar Freudenberg so nicht gelten lassen. "Das ist kein Argument, das strafrechtlich nicht zu schützen." Verfahren mit schwierigen Beweissituationen seien das täglich Brot der Strafverfolgungsbehörden.

Bundesjustizminister Heiko Maas sprach sich am Samstag dafür aus, die Reformen schnell zu verabschieden: "Die Verschärfung des Sexualstrafrechts darf nicht länger blockiert werden", sagte der SPD-Politiker. "Auch für eine praxistaugliche ,Nein-heißt-Nein'-Lösung sind wir offfen." Aus dem Bundesjustizministerium kommt der Wunsch, das Gesetz in den verbleibenden zwei Sitzungswochen vor der Sommerpause noch voranzutreiben.

(heif)
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