Erfundener Tod eines Flüchtlings in Berlin "Wir haben da echt Mist gebaut"

Berlin · Der erfundene Tod eines Flüchtlings lässt die Emotionen in Berlin hochkochen. Helfer sind erschöpft, das Engagement aber bleibt groß. Der Fall hat eine Debatte über die Belastungsgrenze ehrenamtlicher Flüchtlingshelfer ausgelöst.

Die Zustände rund um das Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) sind wie ein Brennglas der Flüchtlingskrise in Deutschland. Seit Monaten bilden sich vor der Behörde Schlangen von Flüchtlingen, die sich registrieren lassen wollen. Wie auch auf anderen Feldern gelingt es der Hauptstadt kaum, ihre organisatorischen Probleme in den Griff zu bekommen.

Ehrenamtliche Flüchtlingshelfer sind in der Stadt teils völlig überlastet. Nun macht der Fall eines Ehrenamtlers Schlagzeilen, der den Tod eines Flüchtlings frei erfunden hat. Der Mann behauptete am Mittwoch auf seiner Facebook-Seite, ein 24-jähriger Flüchtling habe tagelang beim Lageso angestanden und unter hohem Fieber gelitten. Er habe den Mann mit nach Hause genommen und später einen Krankenwagen gerufen. Der Flüchtling sei an einem Herzstillstand gestorben.

Fatalerweise bestätigte die Organisation "Moabit hilft" den Tod des Flüchtlings, ohne die Information zuvor geprüft zu haben. Mehrere Stunden suchten Polizei, Feuerwehr und Krankenhäuser vergeblich nach dem Toten. Am Donnerstag gaben sich die Organisatoren zerknirscht. "Wir haben da echt Mist gebaut", sagte eine Sprecherin. Der Berliner Innensenator Frank Henkel (CDU) sprach von einer der "miesesten und perfidesten Aktionen", die er je erlebt habe.

Flüchtlinge: Skandalöse Zustände am Lageso in Berlin
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Flüchtlinge: Skandalöse Zustände am Lageso in Berlin

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Foto: dpa, mkx

Der Fall hat eine Debatte über die Belastungsgrenze ehrenamtlicher Flüchtlingshelfer ausgelöst. Die Hilfsorganisationen in Deutschland sehen die Lage im Rest der Republik aber eher entspannt. Das Engagement sei "ungebrochen groß", sagt ein Sprecher des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). Das gelte sowohl für die DRK-Helfer als auch für die vielen spontanen und ungebundenen Helfer, die in Notunterkünften mitmachten. Das DRK ist nach eigenen Angaben der größte Akteur in der Flüchtlingshilfe und betreut bundesweit derzeit 470 Notunterkünfte mit mehr als 140.000 Flüchtlingen. Rund um die Uhr seien dabei mehr als 20.000 ehrenamtliche und hauptamtliche Helfer im Einsatz.

Auch SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sieht die Bereitschaft zur Hilfe und Solidarität ungebrochen. Oppermann verwies zudem auf die 10.000 neuen Stellen im Bundesfreiwilligendienst, die speziell für die Flüchtlingshilfe geschaffen wurden, und auf ein "Patenschaftsprogramm" des Familienministeriums zur Unterstützung der Flüchtlinge. Oppermann forderte aber auch eigenes Engagement der Flüchtlinge ein. "Die Flüchtlinge können zudem selbst mehr Verantwortung übernehmen. Die Selbstorganisation in den Flüchtlingsunterkünften ist noch ausbaufähig", sagte Oppermann unserer Redaktion.

Es gebe bereits Unterkünfte, in denen sich Flüchtlinge einen Sprecher oder Sprecherrat wählten. "Das ist wichtig, damit sich die Flüchtlinge in einen Teil der Abläufe selbst einbringen und sie organisieren." Zugleich forderte der SPD-Fraktionschef, dass der Flüchtlingszustrom reduziert werden müsse, "damit die Arbeit der Ehrenamtlichen auch weiterhin Erfolge zeigen kann".

Andere Hilfsorganisationen weisen darauf hin, dass weder der Vorfall in Berlin noch die Ereignisse der Silvesternacht in Köln das Engagement der Helfer bremsen würden. "Wir bemerken nicht, dass die Zahl von ehrenamtlichen Helfern nach den Ereignissen in Köln zurückgegangen ist", erklärte ein Sprecher des Malteser Hilfsdienstes. Denn was in Köln passiert sei, decke sich in keiner Weise mit Erfahrungen, die die Helfer in den Flüchtlingsunterkünften machten. "Entscheidend für die Helfer sind die persönliche Erfahrungen und der Umgang mit den Flüchtlingen", sagte der Sprecher.

Das hohe Engagement wird vor Ort bestätigt. So haben sich bei der Flüchtlingsbeauftragten der Stadt Düsseldorf seit Sommer über 3350 Menschen gemeldet, die Flüchtlinge unterstützen wollen. Nach Köln gab es eine Absage. "Wir haben weiterhin viel mehr Freiwillige als verfügbare Plätze", sagte ein Sprecher der Stadt. Und auch Dirk Fahrland, der für die Malteser rund 150 ehrenamtliche Helfer in fünf Flüchtlingsunterkünften mit über 2000 Menschen im Münsterland koordiniert, erklärte: "Das Interesse zu helfen hat nicht nachgelassen."

Der Berliner Flüchtlingshelfer, der den Toten erfand, ist untergetaucht. Er löschte offensichtlich seine Facebook-Seite und war am Donnerstag auch nicht für die Organisation "Moabit hilft" zu erreichen. Mit rechtlichen Konsequenzen muss er nicht rechnen, wie die Polizei in Berlin erklärte.

(qua/joh)
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