Fälschungen erschüttern die Welt Eine kurze Geschichte der Fake News

Düsseldorf · Nicht erst seit Brexit und Trump erschüttern Falschmeldungen die Welt und verwirren die Menschen. Die Geschichte ist voll von Fälschungen - mit weitreichenden Folgen.

 "Fake News" gibt, seit es Menschen ging. (Symbolbild)

"Fake News" gibt, seit es Menschen ging. (Symbolbild)

Foto: Pixabay

Überlebensgroß steht der allmächtige Pharao mit Streitwagen und gewaltigem Bogen vor seinen Feinden, den Hethitern. Getroffen von seinen Pfeilen sinken sie zu Boden. Die Botschaft des in Stein gehauenen Bildes am Tempel im oberägyptischen Karnak ist klar: Pharao Ramses II., genannt auch der Große, hat einen überwältigenden Sieg über die zweite Großmacht des Nahen Ostens, das in der heutigen Türkei gelegene Hethiterreich, errungen.

Pech nur, dass es sich um eine glatte Falschnachricht handelt, um Fake News. Denn die Schlacht bei Kadesch in Syrien im Jahr 1273 vor Christus, eine der berühmtesten der Weltgeschichte, verlief für Ramses äußerst verlustreich. Er musste sich schmählich zurückziehen und hätte um ein Haar seine ganze Armee verloren. Es ist übrigens der gleiche Ramses, der angeblich die Israeliten vergeblich durchs Rote Meer verfolgt hat. Merkwürdig, dass dieser Herrscher als einer der bedeutendsten des Alten Orients gilt. Ergebnis einer auf Falschmeldungen beruhenden Propagandamaschine - mit den Mitteln einer bronzezeitlichen Gesellschaft?

"Nicht die ganze Zeit täuschen"

Wie dem auch sei, das Phänomen von Fake News gibt es nicht erst im Zeitalter von Internet und sozialen Medien. Es begleitet die Menschen, seit sie in die Geschichte eingetreten sind, vielleicht auch schon davor. Tarnen, tricksen, täuschen - dieses Konzept ist so alt wie die Menschheit. Und man kann das Publikum entgegen dem Diktum des einstigen US-Präsidenten Abraham Lincoln ("Sie können nicht alle Menschen die ganze Zeit täuschen") offenbar verdammt lang für dumm verkaufen.

Rund 1200 Jahre nach Ramses verfasste ein ehrgeiziger römischer Aristokrat einen Bericht über einen Feldzug, der bis in unsere heutige Zeit Generationen von Lateinschülern als erste fremdsprachige Lektüre diente: die Kommentare des Feldherrn Caius Iulius Caesar über den Gallischen Krieg. Es waren nicht so sehr Falschmeldungen, die das ebenso schlichte wie stilistisch großartige Werk ausmachten. Caesar stellte die Fakten so dar, dass aus einem Angriffs- und Vernichtungskrieg gegen Kelten und Germanen ein Verteidigungskrieg der Römer gegen wilde, vertragsbrüchige Barbaren wurde.

Es war aber Caesar, der alle Verträge brach und mit seinen Legionen schon nach Zeugnissen aus dem Altertum rund ein Drittel der waffenfähigen Bevölkerung töten ließ. Friedliche Völker wie die Usipeter und Tenkterer rottete er fast gänzlich aus. Kein Wunder, dass ihn der deutsch-jüdische Historiker Hermann Strasburger in die Nähe Hitlers rückte. Immerhin lösten Strasburgers Werke eine Diskussion aus, ob man zwölfjährigen Schülern ein solches propagandistisches Machwerk zumuten könnte. Zuvor hatten Generationen von Geschichtsschreibern den genialen Feldherrn und Staatsmann Caesar verherrlicht, der Schweizer Jahrhundert-Historiker Jacob Burkhardt nannte ihn 1848 sogar "in Betreff Begabung den vielleicht größten Sterblichen". Ein moderner Autor wie der Italiener Luciano Canfora sprach lieber von einem "erbarmungslosen Völkermord", den dieser angeblich so geniale Mensch an Kelten und Germanen verübt habe. Caesar hatte Glück. Sein Bericht über den Krieg in Gallien ist der einzig erhaltene. Die Sieger schreiben Geschichte.

"Konstantinische Schenkung"

Eine klassische Fälschung war eine Schrift, die Anfang des 9. Jahrhunderts in den christlichen Klöstern Nordfrankreichs entstand. Es ging um die "Konstantinische Schenkung", einen der größten Betrugsfälle der Geschichte. Unbekannte Mönche fälschten in der Zeit Karls des Großen eine angeblich vom römischen Kaiser Konstantin ausgestellte Urkunde, wonach dieser Monarch, der um 313 das verfolgte Christentum legalisierte, das westliche Reich dem schon damals wie ein Kirchenhaupt agierenden Bischof von Rom, dem Papst, vermacht hatte. Konstantin selbst war in den Osten in seine neue Hauptstadt Konstantinopel gezogen, das heutige Istanbul.

Der Umzug stimmte, aber sonst war alles erlogen. Die Fälschung war aber das wichtigste Argument der Päpste im Mittelalter, ihre Überlegenheit gegenüber der anderen Universalmacht des christlichen Abendlands, dem römisch-deutschen Kaiser, zu belegen. Unzählige Konflikte und Kriege waren Folge dieses Streits um die Vorherrschaft, der auf Leben und Tod geführt wurde. Erst die Humanisten des 15. Jahrhunderts entlarvten die angebliche Urkunde Konstantins endgültig als Fälschung.

Die Welt erschüttern

Die Liste der geschichtlich bedeutenden Fälschungen und Falschnachrichten lässt sich beliebig fortführen. Die Anschläge der 95 Thesen des Reformators Martin Luther an der Stadtkirche von Wittenberg, die er angeblich mit Hammer und Nagel an der Kirchentür anbrachte, gehören ebenso dazu wie die Berichte über die unhaltbaren Zustände im Pariser Stadtgefängnis, die 1789 zum Sturm auf die Bastille geführt haben. Besonders verheerend waren die auf gezielten Falsch- und Gräuelmeldungen aufbauenden Geschichten der NS-Zeitschrift "Der Stürmer". Die heizten den Antisemitismus in den 30er Jahren so an, dass der historisch einmalige Genozid an den Juden auch dadurch möglich wurde. Daneben nehmen sich Fake News wie vor der Abstimmung über den Brexit oder während des Wahlkampfs des Bauunternehmers Donald Trump zum US-Präsidenten geradezu harmlos aus.

Falschmeldungen - sie können die Welt erschüttern und verdrehen. Die Welt will ja betrogen sein, mundus vult decipi, wie es in einem lateinischen Spruch heißt. Doch ist das alles? Das größte Ereignis der Menschheit, Jesu Auferstehung, ist von wissenschaftlicher Seite her nicht haltbar, also eine Falschmeldung, so wie es von den vier Evanglisten überliefert ist. Doch welche Kraft wohnt ihr inne? Die Begründung des Christentums. Die Wahrheit kann eben auch gänzlich anders gelagert sein. So glauben es die Christen.

(kes)
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