Über 8,5 Millionen Datensätze Die "Verlustlisten" aus dem Ersten Weltkrieg sind online

Lünen/Halle · "Verlustlisten" wurden sie genannt, Listen des Todes und des Leids waren es in Wirklichkeit: Auf 31.000 Seiten im Format kleinerer Zeitungen haben die Behörden im Ersten Weltkrieg kurz verzeichnet, welche Soldaten verwundet, vermisst oder gefallen waren. In Verordnungs- und Anzeigeblättern wurden die Listen veröffentlicht. Sie enthalten oft wichtige Basisinformationen für Historiker und Geschichtsinteressierte.

Die mehr als 8,5 Millionen Datensätze können seit neuestem im Internet abgerufen werden. Nach Namen sortiert, können jetzt Angehörige ihre Verwandten, die im Ersten Weltkrieg gefallen oder verwundet wurden, leichter finden, um so weitere Nachforschungen über ihr Schicksal anzustellen. Fast 800 Freiwillige haben die Daten erfasst.

Die Verlustlisten waren zu Kriegszeiten in jeder Gemeinde veröffentlicht worden. Ihnen konnten die Familien entnehmen, ob ihr Vater, Sohn oder Bruder zu den Gefallenen, den Vermissten oder Verwundeten gehörte. In den ersten Kriegsjahren erschienen die Verlustlisten nahezu täglich.

Die meisten Unterlagen über getötete oder verwundete Soldaten lagerten im Archiv des Preußischen Heeres sowie im Zentralnachweisamt für Kriegerverluste und Kriegergräber. "Diese wurden aber während des Zweiten Weltkriegs zerstört", erklärt Jesper Zedlitz vom Verein für Computergenealogie, der das Projekt leitet und seinen Sitz im westfälischen Lünen hat. "Die Verlustlisten liegen in vielen Landesarchiven und Universitätsbibliotheken." Sie sind nun die einzige Quelle für die Nachverfolgung von Kriegsopfern und -verletzten. Rund zwei Millionen deutsche Soldaten starben im Ersten Weltkrieg.

Neue Sortierungen

Der Verein hatte es sich 2012 zur Aufgabe gemacht, diese Verlustlisten neu zu ordnen, damit Namen leichter zu finden sind. "Die Original-Listen sind alle nach der militärischen Einheit sortiert. Die Angehörigen wussten natürlich, in welcher Kompanie ihr Mann war. Heute ist das allerdings sehr unpraktisch, wenn wir nach konkreten Namen suchen", sagt Zedlitz, der als Informatiker an der Universität Kiel arbeitet.

Die Verlustlisten sind in Fraktur gedruckt worden. Kopien davon wurden vom Verein online zur Verfügung gestellt. Die 767 Freiwilligen konnten im Internet darauf zugreifen. "Online können dann mehrere Leute gleichzeitig an den Listen arbeiten", erklärt Zedlitz. Über eine Suchmaske kann jetzt direkt nach einem Namen gesucht werden.

Über die Verlustlisten kommen Interessierte nun an die Daten der militärischen Einheit und an den Aufenthaltsort der Soldaten während ihres Kriegsdienstes. "Die Listen sind eine erste Anlaufstelle für Informationen über Soldaten", sagt Zedlitz. Die Angaben über die Einheiten helfen bei weiteren Recherchen: "Ich habe so zum Beispiel heraus gefunden, dass mein Großvater nicht nur an der West-, sondern auch an der Ostfront gekämpft hat. Das Schicksal der einzelnen Leute ist jetzt besser nachvollziehbar."

Die Datensätze sind nicht nur interessant für Soldaten-Angehörige, sondern auch für die Geschichtsforschung. "Das Projekt ist methodisch interessant und bringt die Forschung auf neue Ideen", sagt Georg Fertig, Professor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Halle-Wittenberg. "Es ist ein flächendeckender Datensatz, der Aufschluss darüber gibt, welche Regionen von besonders vielen Kriegsverlusten betroffen waren. Diese Variable konnten wir bisher nicht in unsere Forschung miteinbeziehen."

(lnw)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort