Immer neue Skandale um Missbrauch Die Schuld der Erzieher

Düsseldorf (RP). Fast täglich werden neue Fälle sexuellen Missbrauchs an Schulen gemeldet, die sich in den 50er bis 80er Jahren zugetragen haben. Doch die Lage ist unübersichtlich: In der öffentlichen Debatte vermischen sich die Fälle der Vergangenheit, der Umgang mit den Taten heute und der Schutz der Kinder in Zukunft.

Eine Bestandaufnahme

Welche Fälle sind bislang bekannt geworden?

Ausgelöst wurde der Skandal von den Enthüllungen im Berliner Canisius-Kolleg. Rund 120 Missbrauchsfälle wurden an Jesuitenschulen bekannt. Vorfälle soll es auch in Bonn, Hamburg und St. Blasien gegeben haben. Im bayerischen Kloster Ettal sollen Mönche über Jahrzehnte Kinder in "sexueller, physischer und psychischer Art" misshandelt haben, wie ein Sonderermittler berichtete. In die Schlagzeilen gerieten auch die Regensburger Domspatzen mit zwei Fällen sexuellen Missbrauchs aus den Jahren 1958 und 1971. Bei den Limburger Domsingknaben geht das Bistum insgesamt zehn Verdachtsfällen nach.

Sind auch weltliche Schulen betroffen?

Ja. Auch in der Odenwaldschule (Hessen) soll es Fälle gegeben haben. Der Schulvorstand kündigte deshalb gestern an, Ende März geschlossen zurückzutreten.

Was ist der Unterschied zwischen Missbrauch und Misshandlung?

Als Misshandlung gilt physische und psychische Gewalt. Als sexueller Missbrauch wird gewertet, wenn ein Erwachsener ein Kind als Objekt nutzt, um seine sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen. Von schwerem sexuellem Missbrauch sprechen die Juristen beispielsweise im Fall von Vergewaltigung. Dieser Tatbestand trifft laut Strafgesetzbuch auch dann zu, wenn das Kind durch die Tat eine "erhebliche Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung" erleidet. Bei den aktuell bekannt gewordenen Fällen mischen sich teilweise Missbrauch und Misshandlung.

Was soll der runde Tisch leisten?

Familienministerin Kristina Schröder (CDU) und Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) wollen Vorsorge für die Zukunft treffen. Mit Kirchen und Lehrern wollen sie an einem runden Tisch darüber sprechen, wie sich Missbrauch an Schulen vermeiden lässt und wie geholfen werden kann.

Welche Forderungen gibt es dazu?

Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) hat sich dafür ausgesprochen, Vertrauenspersonen für Schulen zu schaffen, an die sich Schüler im Fall des sexuellen Missbrauchs wenden können. "Ich unterstütze den Vorschlag, Obleute an Schulen einzusetzen, die in Fällen von sexuellem Missbrauch Ansprechpartner sind", sagte Schavan unserer Zeitung. "Das ist ein guter Weg, Vertrauen zu schaffen." Damit griff sie eine Vorschlag des Chefs des Philologen-Verbandes, Hans-Peter Meidinger, auf. Er hatte gefordert, dass es an allen Schulen eine Vertrauensperson geben sollte, an die sich die Schüler im Fall von Missbrauch wenden können. "Es darf an den Schulen keine Mauer des Schweigens mehr geben", sagte Meidinger unserer Zeitung.

Wieso sitzt die Justizministerin nicht mit am runden Tisch?

Bislang hat die FDP-Ministerin dazu keine Einladung von ihren Kolleginnen erhalten. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist vor allem an der Aufarbeitung der Vergangenheit gelegen. Der runde Tisch der Familienministerin dient der Prävention.

Was bringt es, die Verjährungsfristen für sexuellen Missbrauch zu verlängern?

Für die Opfer aus den 60er und 70er Jahren bringt das nichts, da die Verjährungsfristen nicht rückwirkend verlängert werden können. Allerdings erwägt die Regierung für die Zukunft, im Zivilrecht die Verjährungsfristen zu verlängern. Das heißt, dass die Opfer länger Ansprüche auf Entschädigung geltend machen können. Bislang gilt dafür eine Frist von drei Jahren, die meistens erst ab dem 21. Geburtstag in Kraft tritt. Was die strafrechtliche Verfolgung der Taten angeht, hat sich die Justizministerin gegen eine Ausweitung der Fristen gewandt. Sie betragen derzeit zehn Jahre für sexuellen Missbrauch und 20 Jahre in schweren Fällen. Die Frist gilt jeweils erst ab dem 18. Geburtstag des Opfers.

(RP)
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