Bilanz nach 25 Jahren Deutsche Einheit Zwei von drei Kindern kommen im Osten unehelich zur Welt

Düsseldorf · 25 Jahre nach der Wiedervereinigung fördern Wissenschatlicher in einem Ost-West-Vergleich erstaunliche Unterschiede zutage. Der real existierende Sozialismus hat im Osten Deutschlands stärkere Spuren hinterlassen als gedacht.

Der typisch deutsche Urlauber
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Viele Straßen sind frisch geteert, Gebäude saniert, die Arbeitslosen hat man zum Jobcenter geschickt: Trotzdem ist die vollständige Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost und West auch 25 Jahre nach der Wiedervereinigung noch lange nicht erreicht.

Das lässt sich nicht nur aus aktuellen Daten des Statistischen Bundesamtes zu Wohnraum, Einkommen und Arbeitslosigkeit herauslesen. Noch stärker sind die Differenzen bei den "weichen Faktoren", die das Privatleben, den Lebensstil und die Einstellungen der Menschen in Deutschland widerspiegeln.

Ein Beispiel: Die Frauen in den neuen Bundesländern bekommen ihre Kinder jetzt auch nicht mehr so früh wie zu DDR-Zeiten. Das Durchschnittsalter bei der ersten Geburt stieg zwischen 1989 und 2013 im Osten von 22,9 auf 28,1 Jahre. Damit ist es jetzt fast so hoch wie im Westen, wo Frauen heute im Schnitt mit 29,5 Jahren zum ersten Mal Mutter werden.

Groß ist der Unterschied dagegen bei der Zahl der außerehelichen Geburten. In Sachsen-Anhalt wurden zuletzt fast zwei Drittel aller Kinder außerhalb einer Ehe geboren. Auch in allen anderen östlichen Flächenländern lag der Anteil der unehelichen Kinder bei mehr als 60 Prozent. In Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, und im Saarland hatten 2013 dagegen mehr als zwei Drittel der Neugeborenen Eltern, die miteinander verheiratet waren.

"In den westlichen Ländern ist teils noch das klassische Familienbild prägend", sagt der Präsident des Statistischen Bundesamtes, Roderich Egeler. Dass Ehe und Elternschaft für viele Menschen im Osten nicht unbedingt zusammengehörten, sei wohl den Nachwirkungen des gesellschaftlichen Leitbildes der DDR geschuldet. Allerdings: Wenn sich Ostdeutsche für die Ehe entscheiden, dann ist sie im Durchschnitt etwas haltbarer als der Bund verheirateter Westdeutscher. Von 1000 bestehenden Ehen wurden im Osten im Jahr 2011 neun Ehen geschieden. Im Westen endeten im gleichen Zeitraum elf von 1000 Ehen durch Scheidung.

Generell zeigt die vom Statistischen Bundesamt jetzt vorgelegte Vergleichsstudie "25 Jahre Deutsche Einheit", dass die Unterschiede vor allem da, wo die Bürger in ihrer Entscheidung frei sind und der Staat nicht direkt einwirkt, immer noch groß sind. Das betrifft zum Beispiel die Ess- und Trinkgewohnheiten. In den östlichen Bundesländern leben - mit Ausnahme Berlins - deutlich mehr Menschen, die unter starkem Übergewicht leiden, als im Westen. In Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt hat etwa ein Fünftel der Erwachsenen einen Body-Mass-Index von über 30. In Hamburg ist nur etwa jeder Zehnte stark übergewichtig.

Das Schlusslicht bilden die östlichen Bundesländern beim freiwilligen Engagement in Vereinen und Bürgerinitiativen. Während in Rheinland-Pfalz, Niedersachen und Baden-Württemberg jeweils rund 41 Prozent der Bürger ab 14 Jahren ehrenamtlich tätig sind, liegt die "Engagement-Quote" in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern jeweils deutlich unter 30 Prozent. Auch hier wirkt offensichtlich das Erbe des Sozialismus nach. Denn in der DDR war der Staat für praktisch alles zuständig - von der Betriebssportgruppe bis zum Kinderferienlager.

(dpa)
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