Ehemaliger MDR-Chef Der Tod von Udo Reiter fällt mitten in Sterbehilfe-Debatte

Leipzig · "Es sollte einen Notausgang geben, um auch in der letzten Stunde des Lebens selbstbestimmt entscheiden zu können." Im Nachhinein bekommt dieser Satz von Udo Reiter, gefallen im Mai zur Eröffnung der kirchlichen "Woche für das Leben", eine zusätzliche Schärfe. Die Todesumstände des ehemaligen MDR-Chefs legen einen Suizid nahe.

 Udo Reiter diskutierte im Januar bei "Günther Jauch" zum Thema: "Mein Tod gehört mir! Gibt es ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben?".

Udo Reiter diskutierte im Januar bei "Günther Jauch" zum Thema: "Mein Tod gehört mir! Gibt es ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben?".

Foto: dpa, ks aen tba

Am Freitag bestätigte der Mitteldeutsche Rundfunks (MDR) den Tod seines ehemaligen Chefs. Der Journalist wurde auf der Terrasse seines Hauses im sächsischen Gottscheina leblos aufgefunden - in seiner Nähe lag eine Waffe. Die Umstände legen einen Suizid nahe.

Der Fernsehmann, 1944 in Lindau am Bodensee geboren, galt als streitbare Erscheinung; der MDR, dessen Gründungsintendant Reiter war, geriet in seiner bis 2011 währenden Amtszeit wegen diverser Skandale in die Schlagzeilen. Nach seinem Eintritt in der Ruhestand vor drei Jahren machte er vor allem mit seiner Position zur Suizidbeihilfe von sich reden.

Es hatte einen sehr persönlichen und zugleich unverstellten Hintergrund. Seit einem Autounfall 1966 saß Reiter im Rollstuhl. Dieser tiefgreifende Einschnitt im Leben des damals 22-Jährigen spiegelt sich auch in dem Titel seiner 2013 erschienenen Autobiographie wider: "Gestatten, dass ich sitzen bleibe".

Der Umgang mit schwerer Krankheit war Reiter vertraut, seine erste Frau begleitete er beim Sterben - und es mutet wie ein seltsamer Zufall an, dass ausgerechnet in diesen Tagen die Debatte über Suizidbeihilfe und Palliativmedizin wieder an Intensität zunimmt. Da mahnt zum Welthospiztag an diesem Samstag der Deutsche Hospiz- und PalliativVerband (DHPV) eine Ausweitung der Betreuung für Schwerstkranke an. Da formieren sich in Berlin Befürworter und Gegner einer "aktiven Sterbehilfe".

Am 13. November soll es eine "Orientierungsdebatte" im Bundestag geben. Dabei variieren die Positionen zwischen einer weitgehenden Erlaubnis der Suizidbeihilfe für Ärzte bis hin zu einer sehr restriktiven Haltung. Humanistenverbände werben dagegen für ein weiter gefasstes Recht auf Suizidbeihilfe.

Der Versuch, die Beihilfe zur Selbsttötung gesetzlich zu verbieten, entziehe dem Einzelnen das "Recht auf Selbstbestimmung am Lebensende", heißt es in einer Kampagne, die auch von Liedermacher Konstantin Wecker, den Publizisten Ralph Giordano und Fritz J. Raddatz sowie den Schauspielerinnen Eva Mattes, Gudrun Landgrebe und Petra Nadolny unterstützt wird.

Die Debatte trifft nicht zuletzt die beiden großen Kirchen, die jede Form der Beihilfe zum Suizid ablehnen. Für Aufsehen sorgte unlängst jedoch das Bekenntnis von Nikolaus Schneider. Der scheidende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) sagte, dass er entgegen seiner eigenen Überzeugung seine an Krebs leidenden Ehefrau Anne unter Umständen zu einer Suizid-Hilfe in die Schweiz begleiten wolle.

Reiter, der sich selbst als "katholischen Atheisten" bezeichnete und 1994 für sein christliches Engagement und Aufbauarbeit beim MDR den päpstlichen Gregoriusorden erhielt, wollte es offenbar soweit nicht kommen lassen. In der "Freien Presse" schrieb er Anfang des Jahres, er sitze seit 47 Jahren im Rollstuhl und habe trotzdem ein schönes und selbstbestimmtes Leben geführt.

"Irgendwann wird es zu Ende gehen. Aber wie? Ich möchte nicht als Pflegefall enden, der von anderen gewaschen, frisiert und abgeputzt wird. Ich möchte nicht allmählich vertrotteln und als freundlicher oder bösartiger Idiot vor mich hindämmern." Und er wolle ganz allein entscheiden, wann es soweit ist. "Ohne Bevormundung durch einen Bischof, einen Ärztepräsidenten oder einen Bundestagsabgeordneten."

(KNA)
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