Lebenslange Haftstrafe Eltern wegen Mordes an eigener Tochter verurteilt

Darmstadt · Ein Ehepaar aus Dortmund ist am Dienstag wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Sie hatten ihre Tochter getötet, weil sie eine Beziehung und Sex vor der Ehe gehabt hat.

Die mitangeklagte Mutter kurz vor der Urteilsverkündung.

Die mitangeklagte Mutter kurz vor der Urteilsverkündung.

Foto: dpa, brx htf

Der 52 Jahre alte Vater und die 41 Jahre alte Mutter — beide aus Pakistan, muslimisch, strengreligiös und seit mehr als 20 Jahren in Deutschland —hätten an ihren mitgebrachten Werten festgehalten. Sie hätten verhindern wollen, dass die Beziehung der 19 Jahre alten Tochter in ihrer Gemeinde ans Licht kommt und ihnen dann womöglich der Rausschmiss droht. "Die Ehre der Familie sollte gewahrt werden", sagt der Vorsitzende Richter Volker Wagner am neunten Prozesstag in seiner einstündigen Urteilsbegründung.

Das Ehepaar sei an seinem Leben in einer Parallelgesellschaft gescheitert. "Als klar war, dass die Tochter mit ihrem Freund intim verkehrte, entschlossen sich die Eltern gemeinsam, sie zu töten." Daran gebe es keine Zweifel, betont Wagner. "Der voreheliche Sex durfte nach ihren Vorstellungen nicht bekanntwerden. Die Tat wurde bis ins letzte Detail geplant und ausgeführt." Der Vater nimmt das Urteil mit gesenktem Kopf auf, die Mutter weint.

Der Vater hatte gestanden, die Tochter im Januar zu Hause in Darmstadt in der Nacht erwürgt zu haben. Er habe der 19-Jährigen auch dann noch den Hals zugedrückt, als sie schon tot war. Die Mutter hatte angegeben, sie sei von der Tat überrascht und zum Wegschaffen der Leiche gezwungen worden. Das Gericht sieht das anders. "Die Mutter liebte ihr Leben in ihrer Gemeinde, das war ihre Parallelgesellschaft", meint Wagner. "Das wollte sie nicht gefährden. Sie hatte ebenso Interesse an der Tat wie ihr Mann."

Nicht in der Religion, sondern in der Tradition liegen die Wurzeln solcher Taten — zeigt sich die Direktorin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam (FFGI), Prof. Susanne Schröter, überzeugt. "Die Eltern, die in Darmstadt vor Gericht stehen, haben sich nicht in einem islamischen Denkrahmen bewegt, sondern in dem Rahmen ihrer Lokalkultur", sagt sie am Dienstag — kurz bevor das Urteil gesprochen wird. Im Islam sei zwar außerehelicher Sex verboten, das habe aber nichts mit Ehre zu tun und legitimiere auch keine Tötung. "Es gibt weder im Koran noch in den islamischen Überlieferungen irgendetwas, was einen "Ehrenmord" rechtfertigt."

Mit dem Strafmaß folgte das Schwurgericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die aber auch noch die Schwere der Schuld festgestellt haben wollte. Dies hätte eine Haftentlassung nach 15 Jahren praktisch unmöglich gemacht. Das Schwurgericht sah davon ab. Der Vater habe "ein rückhaltloses Geständnis abgelegt". Bei der Mutter wurde die Gemeinde-Zugehörigkeit berücksichtigt. "Wir können es uns kaum vorstellen, was ein Ausschluss für sie bedeutet hätte."

Die Anklage akzeptiert das Urteil. Die Verteidiger kündigen Revision an. Der Anwalt des Vaters hatte in seinem Plädoyer in der vergangenen Woche von Totschlag gesprochen und darum gebeten, die Herkunft des Mannes im Urteil mit zu berücksichtigen. Der 52-Jährige sei kein "normal sozialisierter Mensch" und immer noch in seiner Welt.

Der Anwalt der Mutter hatte die Tat seiner Mandantin als Beihilfe zum Totschlag bezeichnet. Sie sei in ihrer Religion und der Gruppe wie "einbetoniert". Die Frau habe "mit einer normalen Welt nichts zu tun" gehabt. Beide Angeklagte seien "Musterbeispiele nicht gelungener Integration". Die Verteidiger hatten kein Strafmaß genannt.

Das Schwurgericht macht beim Urteil klar, dass in Deutschland das deutsche Recht gelte und nicht Normen und Werte anderer Gesellschaften und Kulturen. "Wir können nicht mit zweierlei Maß messen."

(das/dpa)
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