Christopher Street Day in Berlin Tausende feiern trotz Amoklauf in München

Berlin · Die Feierstimmung konnte nichts trüben: Beim Christopher Street Day in Berlin ging es ausgelassen und entspannt zu. Der Amoklauf von München schreckte die Besucher nicht ab. Sicherheitsbehörden hatten zuvor überlegt, ob die bunte Parade abgesagt werden muss.

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Bunt und Politisch: So war der CSD 2016 in Berlin

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Mehrere Hunderttausend Menschen haben in Berlin den Christopher Street Day (CSD) gefeiert. Einen Tag nach dem Amoklauf von München zog die bunte Demonstration für mehr Rechte von Homo-, Bi- und Transsexuellen am Samstag friedlich durch die City.

Auf mehr als 50 geschmückten Wagen tanzten Teilnehmer in schrillen Kostümen. Die Veranstalter sprachen von rund 750.000 Besuchern. Die Polizei machte keine Angaben zu der Zahl. Sie zeigte sich am Sonntag zufrieden mit dem Verlauf. Es habe keine Festnahmen gegeben, lediglich einige kleinere Zwischenfälle seien registriert worden, sagte eine Sprecherin.

Bürgermeister warb zum Auftakt für Toleranz

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hatte zum Auftakt der Parade betont, Intoleranz und Diskriminierung dürfe kein Raum gegeben werden. "Wir gemeinsam müssen uns dafür engagieren, dass diese Stadt und dass unser Zusammenleben wirklich ein offenes, tolerantes und freies Zusammenleben ist", betonte der SPD-Politiker. Dafür könne jeder jeden Tag etwas tun.

Nach Amoklauf in München wurde Absage erwogen

Zuvor gab es in Berlin Überlegungen, ob nach der Bluttat in München die Parade abgesagt werden müsse. "Wir wussten ja lange nicht, ob es ein Einzeltäter oder mehrere Täter in München waren, ob es ein Amoklauf oder eine Terrorlage war", sagte Innensenator Frank Henkel (CDU) dem "Tagesspiegel" (Sonntag). Erst als die Lage dort klarer wurde, seien die Sicherheitsbehörden zu dem Schluss gekommen, dass die Demonstration stattfinden könne. "Wir mussten aber Anpassungen vornehmen", so der CDU-Politiker. Zu den konkreten Maßnahmen äußerte er sich nicht.

In München hatte ein 18 Jahre alter Deutsch-Iraner am Freitagabend neun Menschen erschossen und sich dann selbst getötet. Die Ermittler gehen von einem Amoklauf aus. Er soll eine depressive Erkrankung gehabt haben.

Zuversicht statt Angst

Bei den gut gelaunten Besuchern in Berlin war während der Parade unter dem Motto "Danke für nix" und der Abschlusskundgebung am Brandenburger Tor keine Verunsicherung durch das Attentat zu spüren.
"Ich habe eher weniger Angst", sagte Holger Wedeking (41). "Klar macht man sich Gedanken, aber ich will mir von diesen schlimmen Ereignissen nicht die Lebensfreude nehmen lassen."

Gerade in solchen Zeiten müsse man Flagge zeigen, meinte Mark Globert (43). "An welchem Ort man sich aufhält, ist ja langsam unerheblich geworden. Öffentliche Plätze, Züge, Einkaufszentren - wenn wir jetzt all solche Orte meiden, müssen wir uns bald zuhause einsperren. Das will ich nicht", sagte Bastian Jose (38).

Veranstalter: Echte Gleichtstellung noch weit entfernt

Das Motto für den Christopher Street Day hatten die Veranstalter nach eigenen Angaben in diesem Jahr bewusst radikal gewählt. "Trotz vieler Errungenschaften sind wir von einer echten Gleichstellung noch weit entfernt. Eheöffnung, Adoption für alle, Sicherheit für queere Geflüchtete? Fehlanzeige. Dieses Jahr ist Schluss mit der Dankbarkeit für Brotkrumen", erklärte der Verein, der die Demo organisiert hatte.

"Wir sind vor allem super glücklich und stolz, wie vielfältig und politisch dieser CSD 2016 war", sagte eine Sprecherin am Sonntag. Es seien so viele Menschen wie noch nie bei der Abschlusskundgebung gewesen.

Rund 500 Polizei-Beamte waren im Einsatz. Sie schrieben einige Anzeigen wegen Körperverletzung, Diebstahls, Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz sowie Beleidigung. Zu Beginn der Parade störte eine Gruppe von etwa 15 Menschen die Eröffnungsreden, wie die Polizeisprecherin sagte. Unter lauten Rufen hätten die Störer pro-palästinensische Plakate hoch gehalten.

(lai/dpa)
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