Absage des Länderspiels in Hannover Unbekannter versteckte Bombenattrappe im Zug

Hannover · In der Nacht nach der Länderspielabsage ist es in Hannover ruhig geblieben. Die Polizei suchte das Stadion und die Umgebung ab, fand aber bislang keinen Sprengstoff. "Wir haben konkrete Hinweise gehabt, dass jemand im Stadion einen Sprengsatz zünden wollte", sagte Polizeipräsident Volker Kluwe. Gesucht wird nach einem Mann, der eine Bombenattrappe in einem IC platzierte.

Polizisten durchsuchen ein Abteil eines Zuges am Bahnhof Hannover.

Polizisten durchsuchen ein Abteil eines Zuges am Bahnhof Hannover.

Foto: dpa, ahe jhe

Nach der Absage des Fußball-Länderspiels in Hannover wegen Terroralarms will sich Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) am Mittwoch zu den Vorfällen äußern. In der Landeshauptstadt, wo der Schock noch nachwirkt, soll außerdem der niedersächsische Tag der Wirtschaft stattfinden. Als einer der Hauptredner wird Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) erwartet.

Das Fußball-Länderspiel war am Dienstagabend kurz nach dem Einlass abgesagt worden - wegen Angst vor einem Anschlag. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur aus Sicherheitskreisen kamen die Hinweise von einem ausländischen Geheimdienst. Hannovers Polizeipräsident Volker Kluwe sagte der dpa: "Wir haben konkrete Hinweise gehabt, dass jemand im Stadion einen Sprengsatz zünden wollte."

Nach Informationen von "Spiegel online" soll der französische Geheimdienst die Quelle der Information sein. Dies berichtete auch die "Bild"-Zeitung. Zunächst habe es Hinweise gegeben, dass eine Gruppe um einen namentlich bekannten Nordafrikaner einen Anschlag planen könne. Es sei konkret von Sprengmitteln, Sprengstoffgürteln, automatischen Waffen und Sprengsätzen an den Zufahrtswegen die Rede gewesen. Dann habe der französische Geheimdienst auf einen irakischen Schläfer hingewiesen, der einen Anschlag auf das Freundschaftsspiel geplant haben soll.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann bestätigte, der Hinweis auf ein mögliches Attentat sei von einem ausländischen Geheimdienst gekommen. Er habe am Dienstagmittag die Information erhalten, dass "innerhalb der nächsten 48 Stunden ein Anschlag auf ein Sportereignis in Deutschland stattfinden sollte oder könnte", sagte der CSU-Politiker im Bayerischen Fernsehen. "Aber mich hat die Absage auch überrascht."

Als eine "bittere, aber richtige Entscheidung" bezeichnete Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) die Spielabsage. "Gerade in einem solchen Moment muss unsere Botschaft trotz allem ganz klar sein: Wir werden nicht zurückweichen. Wir werden uns unsere Art zu leben nicht nehmen lassen", sagte Maas der Deutschen Presse-Agentur.

In der Nacht zum Mittwoch blieb es ruhig in der Stadt. Die Polizei zeigte weiterhin Präsenz. Die Suche nach Verdächtigen ging an zahlreichen Orten weiter. Festnahmen gab es aber bisher nicht. Auch Sprengstoff wurde bislang nicht gefunden.

Reaktionen zur Länderspiel-Absage in Hannover
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Foto: afp, EJ

"Wir sind an verschiedenen Orten im Einsatz", sagte die Sprecherin der Polizeidirektion Hannover, Martina Stern. Details wollte sie nicht nennen. Seit der Absage des Länderspiels am Dienstagabend habe es mehrere Überprüfungen von verdächtigen Gegenständen gegeben, die sich alle nicht bestätigt hätten.

Nach dem Fund einer Sprengstoff-Attrappe in einem IC sucht die Polizei auch nach dem Mann, der das Paket dort liegen ließ. "Wir werten alles Material aus, das wir haben, und wenn es Videoaufnahmen gibt, dann auch die", sagte Jörg Ristow, Sprecher der Bundespolizei.

Ein Reisender hatte am Abend in dem Zug einen verdächtigen Gegenstand bei der Ankunft in Hannover entdeckt und die Bundespolizei alarmiert. Ein unbekannter Mann soll das Paket auf der Gepäckablage abgelegt haben. Eine Mitreisende habe den Mann darauf aufmerksam gemacht, dass er etwas vergessen habe, als dieser aufstand und ging. Der Unbekannte habe aber nicht darauf reagiert, sondern den Zug verlassen und sei geflüchtet.

Bundespolizisten untersuchten das Paket. Nachdem auch ein Sprengstoffsuchhund angeschlagen habe, seien Entschärfer hinzugezogen worden. Sie fanden beim Röntgen diverse elektronische Bauteile. Bei dem Fund handelte es sich nach Aussagen von Bundespolizeisprecherin Sandra Perlebach um eine gut gemachte Sprengstoff-Attrappe und nicht um eine scharfe Bombe, wie zunächst befürchtet worden war. Der betroffene Zug war auf dem Weg von Hannover über Bremen nach Oldenburg.

Das Spiel sollte vier Tage nach der verheerenden Anschlagserie in Paris ein Zeichen gegen den Terror sein. In der französischen Hauptstadt war am Freitagabend das Länderspiel zwischen Deutschland und Frankreich ein Ziel der Attacken gewesen.

Die Sicherheit bei Großereignissen wie Fußballspielen und Weihnachtsmärkten beschäftigt am Mittwoch auch das Bundeskabinett und die Polizei in den Ländern. Die Regierung will nach dem Terroralarm in Hannover in ihrer Sitzung die allgemeine Sicherheitslage diskutieren. Die Polizeichefs der Länder wollen sich in einer Telefonkonferenz beraten. Die Spielabsage löste auch im deutschen Fußball eine Debatte um die Sicherheit in den Stadien aus.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) erklärte in Hannover, die Absage gehe auf Hinweise zu einer Gefährdung zurück, diese hätten sich im Laufe des frühen Dienstagabends verdichtet. Er bitte um Verständnis dafür, dass er zu Fragen nicht mehr sagen könne. Er fügte hinzu: "Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern."

In der Bundesliga wird ebenfalls über die Sicherheit debattiert. "Das wird den Fußball verändern und stellt uns vor eine neue Herausforderung", sagte Präsident Martin Kind von Hannover 96 der dpa. Ligapräsident Reinhard Rauball versicherte trotz der kurzfristigen Absetzung der Testpartie, die Bundesliga werde am Wochenende spielen. "Der Spieltag wird stattfinden", sagte Rauball.

In Hannover waren zum Zeitpunkt der Absage gegen 19.15 Uhr kaum Zuschauer im Stadion. Sie wurden per Lautsprecher aufgefordert, den Stadionbereich zu verlassen. Die Evakuierungszone wurde mit Absperrband mit der Aufschrift "Vorsicht Lebensgefahr" kenntlich gemacht. Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und andere Politiker hatten das Spiel besuchen wollen, sie flog zurück nach Berlin.

Frankreich will sich aber trotz der heiklen Sicherheitslage die Fußball-EM im kommenden Jahr keinesfalls nehmen lassen. Sportminister Patrick Kanner schloss eine Absage am Dienstag aus. "In keinem Fall darf der Sport vom Terrorismus gestoppt werden", sagte er.

(dpa)
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