Ausstellung "Lost Christmas" Was Drogenabhängige sich zu Weihnachten wünschen

Frankfurt am Main · Einen Druckraum für nachts und nicht verjagt zu werden: Die Weihnachtswünsche der Drogenabhängigen aus dem Frankfurter Bahnhofsviertel machen nachdenklich. Szene-Fotograf Ulrich Mattner gibt neun dieser Menschen ein Gesicht.

Sie heißen Rolf, Mike oder Caro, und was sie eint, ist ihre langjährige Drogensucht. Heroin, Crack, Alkohol, Tabletten, Methadon. "Die sind alle polytoxisch", sagt Ulrich Mattner. Der Fotograf wohnt seit neun Jahren im berüchtigten Bahnhofsviertel in Frankfurt am Main. Er kennt die Junkies, die sich dort aufhalten. "Das ist normal, wenn Sie hier leben", erzählt er. "Wenn Sie einkaufen gehen und die zum ersten Mal sehen, denken Sie 'Oh Gott' und haben Angst. Dann gehen Sie immer wieder an ihnen vorbei und stellen fest: Die wollen gar nicht im Weg stehen, die wollen keinen Ärger machen. Die wissen sowieso, dass keiner Sie mag."

Irgendwann seien einem diese Menschen bekannt. Um sie auch für andere sichtbar zu machen und dafür zu werben, Drogensüchtige als Schwerkranke zu betrachten, hat Mattner eine ungewöhnliche Ausstellung inszeniert: Er porträtiert neun von ihnen in eindringlichen Schwarz-Weiß-Fotografien. Darunter steht jeweils ein Zitat des Porträtierten, was er oder sie sich zu Weihnachten wünscht.

Da ist etwa Patricia, seit 1998 obdachlos. Ihr Gesicht ist gezeichnet. Sie wünscht sich "mehr Zusammenhalt". Rolf ist seit 20 Jahren auf der Szene. Sein Wunsch ist bescheiden: "Ich wünsche mir einen Platz, wo wir uns offiziell aufhalten dürfen." George bringt es so auf den Punkt: "Ich wünsche mir, nicht verjagt zu werden."

Serban würde man auf dem Foto auf den ersten Blick nicht für drogenabhängig halten - doch sie nimmt seit 25 Jahren Crack und Heroin. Sie wünscht sich mehr Hilfe bei der Job- und Wohnungssuche. Milena findet das Bahnhofsviertel immer aggressiver, die Drogen kickten nicht mehr: "Ich wünsche mir echte Hilfe. Ich will weg von der Straße", sagt sie. Ein Wunsch wird gleich mehrfach genannt: Druck- und Aufenthaltsräume für nachts.

Mattner verspricht sich von dem Projekt eine Debatte darüber, wie das Drogenelend in Frankfurt beendet werden kann. "Der Hauptwunsch ist ja ein Raum, in dem sie sich nachts aufhalten und ihre Drogen konsumieren können", sagt der Fotograf. Für tagsüber gäbe es in der Stadt drei Konsumräume für Heroin - nachts seien die Abhängigen jedoch auf sich gestellt. Zudem müsse man auch Tabus diskutieren, etwa die kostenlose Ausgabe von harten Drogen an Schwerstabhängige.

Und noch etwas erhofft sich Mattner von seiner Ausstellung: mehr Verständnis für die Abhängigen. "Denen wird immer vorgeworfen, dass sie ja die Entscheidung hatten, die Droge zu nehmen oder eben nicht. Nur: Die sind alle ganz unten. Da sind Typen dabei, die sind hochintelligent, die wären in der Wirtschaft weit oben. Aber sie haben mit 13 oder 15 Jahren diese Entscheidung getroffen. Jetzt sind sie 50, teilweise 60, und werden immer noch dafür verantwortlich gemacht."

Die Ausstellung "Lost Christmas - Weihnachtswünsche aus der Elbestraße" ist noch bis zum 1. Januar in der Frankfurter Galerie YokYok zu sehen, die Plakate hängen zudem an elf verschiedenen Orten im Bahnhofsviertel.

(oko)
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