88-Jähriger Heinrich B. vor Gericht Anklage fordert lebenslänglich für Ex-SS-Mann

Aachen (RPO). In einem der letzten NS-Kriegsverbrecherprozesse in Deutschland hat die Staatsanwaltschaft vor dem Aachener Landgericht lebenlange Haft für einen 88-jährigen früheren SS-Mann beantragt. Der Ex-Bergmann Heinrich B. habe 1944 als Mitglied eines SS-Sonderkommandos drei Niederländer in Breda, Voorschoten und Wassenaar erschossen.

Das sagte Oberstaatsanwalt Ulrich Maaß in seinem Plädoyer. Der heute in einem Altenheime lebende Angeklagte habe die damals von Nazis als antideutsch eingestuften Opfer heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen ermordet.

B. hatte die Tötungsdelikte in dem Aachener Prozess gestanden, sich aber auf einen Befehlsnotstand berufen. Bei Befehlsverweigerung habe ihm die Todesstrafe oder die Einlieferung in ein Konzentrationslager gedroht. Die drei Morde zählen zu den mindestens 54 sogenannten "Silbertannen-Morden", die das "Sonderkommando Feldmejer" der "Germanischen SS in den Niederlanden" verübte. Opfer dieser Verbrechen wurden Niederländer, die von den Nazis als ihnen feindlich gesonnen angesehen wurden.

B. verfolgte das Plädoyer der Anklage äußerlich teilnahmslos. Maaß nannte in seinem Schlussvortrag mehrere Gründe für das Verfahren gegen B. 66 Jahre nach den Taten. So habe die Justiz die gesetzliche Verpflichtung zur Strafverfolgung, sagte der Leiter der Dortmunder Schwerpunktstaatsanwaltschaft für die Verfolgung von NS-Verbrechen. "Wir sind es ganz einfach den Opfern schuldig, sie nicht zu vergessen." Auch sei die Aufklärung der Öffentlichkeit über die NS-Gräuel "von enormer Bedeutung".

An den Angeklagten gewandt sagte Maaß: "Hier steht kein sogenanntes kleines Licht vor Gericht." Die drei Morde an einem Apotheker, einem Fahrradhändler und einem leitenden Angestellten zeugten von einer "äußert menschenverachtenden Gesinnung" und der "brutalen Gewaltbereitschaft" des Angeklagten. Auf einen Befehlsnotstand könne sich B. nicht berufen. Vielmehr habe die Ausführung der Tötungsbefehle "ganz eindeutig gegen das elementare Tötungsverbot" verstoßen. "Bei dem Angeklagten stand der pure Gehorsamswille im Vordergrund."

(AFP/rm)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort