Köln Der Gotthardtunnel in der Kölner Lagerhalle

Köln · Für den TV-Zweiteiler "Gotthard" wurde die Röhre aufwendig nachgebaut. Mit 100 Meter Länge passt die Kulisse nicht in ein Filmstudio.

Was Ingenieure und bis zu 3000 Arbeiter zehn Jahre kostete, schafften rund 40 Setdesigner in gerade mal acht Wochen - den Bau des Gotthardtunnels. Die schnellere Version musste allerdings nicht durch massiven Fels getrieben, sondern nur aus Draht und Jute modelliert werden. Als Kulisse für den TV-Zweiteiler "Gotthard" (Arbeitstitel) ist der Pappmaché-Tunnel dennoch imposant geraten. Rund 100 Meter lang ist der falsche Stollen, zu groß etwa für die Kölner MMC-Studios. Location-Scouts fanden die geeignete, rund 2000 Quadratmeter große Halle, ein ehemaliges Logistik-Zentrum in Pulheim. "Dieser Tunnel sprengt alle Dimensionen", sagt Produzent Lukas Hobi und meint damit nicht nur Nachbau und Original, sondern das gesamte Vorhaben.

Tatsächlich haben sich in einer seltenen Kooperation Schweizer (SRF), österreichisches (ORF) und deutsches Fernsehen (ZDF) zusammengetan, um das aufwendige Projekt zu stemmen. Genaue Summen werden nicht genannt, veranschlagt sind aber acht bis zehn Millionen Euro für den Zweiteiler, der "übliche Rahmen", wie Hobi betont. Gemessen an 60 Drehtagen, bis zu 2600 Komparsen und dem spektakulären Nachbau ein beinahe überschaubares Budget. Rund 600.000 Euro steuert die Filmstiftung NRW dazu. Wann genau der Film gesendet werden soll, steht noch nicht fest, auf jeden Fall aber in der zweiten Jahreshälfte 2016 - nach der feierlichen Eröffnung des Gotthard-Basistunnels, die für den 1. Juni geplant ist. Mit 57 Kilometer Länge stellt der neue Eisenbahntunnel dann die "nur" 15 Kilometer lange Gotthard-Bahnröhre locker in den Schatten.

In der europäischen TV-Gemeinschaftsproduktion spiegelt sich historische Wirklichkeit. Auch der 1882 vollendete Gotthardtunnel war ein europäisches Vorhaben unter Schweizer Federführung. Unter den Arbeitern gab es diverse Nationalitäten. Der Film wird auch eine italienische und eine französische Fassung haben, um ihn entsprechend vermarkten zu können; der Regisseur, Urs Egger, ist Schweizer. "Für die Schweiz ist das schon ein sehr großes Projekt", sagt Hobi.

Wie die Errichtung des Tunnels, der im 19. Jahrhundert größten Baustelle der Welt. Regisseur Egger gerät ein wenig ins Schwärmen, wenn er von der damaligen Ingenieurskunst erzählt. Nur mit Spiegeln seien die Berge zu dieser Zeit vermessen worden, dennoch betrug die Abweichung der beiden Röhren, die von Norden und Süden in den Fels getrieben wurden, beim Durchstich nach acht Jahren nur 30 Zentimeter. "Beim Gotthard-Basistunnel waren es trotz Lasertechnik 20 Zentimeter", betont Egger. Umso höher seien die Fähigkeiten der historischen Tunnelbauer einzuschätzen. Demgegenüber standen katastrophale Arbeitsbedingungen - Belüftungsprobleme, Wassereinbrüche, Steinrutsche und Seuchen kosteten viele Menschen das Leben, dazu gab es einen Arbeiteraufstand, der brutal niedergeschlagen wurde.

All das spiegelt der Film wieder, verwebt es mit den Schicksalen seiner Protagonisten, gespielt unter anderem von Maxim Mehmet, Pasquale Aleardi und Joachim Król. Man wolle Geschichte von unten erzählen, so der Anspruch. Ein bisschen Abenteuer soll der Film aber auch liefern, genauso wie große Emotionen, und er will einen Eindruck von der historischen Wirklichkeit vermitteln - in den Grenzen, in denen ein Spielfilm das kann. Erste Szenen von den Dreharbeiten zeigen einen opulent umgesetzten Stoff, der alle Zutaten für großes Drama liefert. Gedreht wurde unter anderem in der Schweiz und in Tschechien, wo in einem stillgelegten Steinbruch ein Nachbau des Tunnelportals entstand, zwölf Meter hoch und 16 Meter breit. "Das entspricht zwar nicht der Originalgröße, hätte aber sonst nicht ins Kamerabild gepasst", erklärt Szenenbildner Knut Loewe.

Gleiches gilt für den vielleicht drei Meter breiten Tunnel-Nachbau, der sich in zwei Teile gliedert, einen längeren Gang und die sogenannte Tunnelbrust, also das Ende, an dem der Bohrer sich durch den Fels pflügt. Das mit Pressluft betriebene Gerät sei funktionsfähig, betont Loewe, der sichtbar stolz ist auf sein "Baby" - wenn man eine 100 Meter lange künstliche Röhre, die von außen aussieht wie eine Ziehharmonika, so nennen will.

Von innen wirkt sie mit den Holzpfeilern fragil, ist aber, versichert der Szenenbildner, "eine Hightech-Maschine". Auf Knopfdruck schießt Wasser von oben in den Kunststollen, sammelt sich in versteckten Becken und wird für die nächste Szene wieder hochgepumpt. Oder Steine poltern auf die Arbeiter - wobei die falschen von den echten nicht zu unterscheiden sind. Es purzeln selbstverständlich die falschen. Auch ein echtes Pferd ist in der falschen Röhre unterwegs, die Tiere zogen früher die Loren. Vor dem Tunnel wartet ein totes Pferd auf seinen Einsatz - das jedoch stammt aus der Requisite.

Sehen wird man das im Film am Ende nicht, genauso wenig wie den falschen Tunnel. Bis dahin ist es aber ein langer Weg. Noch ist der Zweiteiler - eine große Baustelle.

(RP)
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