Bad "Das Land trauert"

Bad · Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer gedachte gestern in Bad Aibling der Opfer des Zugunglücks. Die Ursache ist weiter unklar. Neben den zehn Toten gab es 17 Schwer- und 63 Leichtverletzte. Mehr als 300 Menschen spendeten Blut.

Aibling (dpa) An der Mariensäule vor dem Rathaus von Bad Aibling haben die Menschen Blumen niedergelegt. Rote und weiße Rosen, Tulpen. Wind und Regen haben die Kerzen gelöscht, die dort zu Dutzenden stehen. Passanten bleiben stehen, halten inne. "Das Land trauert", sagt Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU). "Es ist eine Tragödie." Zehn Tote, 80 Verletzte - die Stadt steht nach der Bahnkatastrophe vom Faschingsdienstag unter Schock.

Noch ist die Ursache des schweren Zugunglücks nicht geklärt. Bisher gebe es keine Hinweise auf einen technischen Fehler oder auf Versäumnisse bei der Signalbedienung durch einen der Lokführer, sagte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) bei einem Besuch im Unglücksort. Polizei und Staatsanwaltschaft betonten, es könne noch Wochen dauern, bis Klarheit herrsche. Die Bahn begann mit der Bergung der Wracks.

Bei dem Zusammenstoß zweier Pendlerzüge der privaten Bayerischen Oberlandbahn waren am Dienstagmorgen zehn Menschen gestorben sowie 17 schwer und 63 leicht verletzt worden. Zunächst war befürchtet worden, dass ein weiterer Mensch gestorben sein könnte. Doch nach dem Abgleich aller Personalien stand fest: "Es wird keine elfte Leiche geben", wie ein Polizeisprecher sagte. Von den Leichtverletzten konnten viele das Krankenhaus nach einem kurzen Aufenthalt bereits wieder verlassen.

Eine 50-köpfige Sonderkommission arbeitet daran, die Ursache des verheerenden Unglücks zu ermitteln. Zu den bisherigen Ergebnissen wollten Polizei und Staatsanwaltschaft unter Verweis auf laufende Ermittlungen keine Stellung nehmen. Ein Polizeisprecher vor Ort sagte jedoch, zwar könne ein Fehler oder Vergehen - etwa des diensthabenden Fahrdienstleiters - nicht ausgeschlossen werden. Doch sei der Fahrdienstleiter bereits unmittelbar nach dem Zusammenstoß der Regionalzüge am Dienstag befragt worden. Daraus ergebe sich noch "kein dringender Tatverdacht", sagte Polizeisprecher Jürgen Thalmeier. Die Ermittlungen stünden noch am Anfang.

Die Deutsche Presse-Agentur will aus zuverlässiger Quelle erfahren haben, dass die Tragödie im oberbayerischen Landkreis Rosenheim durch menschliches Versagen ausgelöst worden war. Gestern ermittelten die Beamten auch im Stellwerk von Bad Aibling. Sie werteten alle bislang gefundenen Blackboxen aus. Auch Experten der Eisenbahn-Unfalluntersuchungsstelle des Bundes waren an der Unfallstelle.

Die Ermittler stellten zudem die Identität von neun der zehn Opfer fest. Dabei handelt es sich ausschließlich um Männer im Alter von 24 bis 60 Jahren, wie Thalmeier sagte. Alle stammten aus der Region. Unter ihnen seien auch die zwei Lokführer sowie ein Lehr-Lokführer, der routinemäßig einen der beiden Männer auf seiner Fahrt begleitete. Die Opfer wurden gestern in München obduziert, hieß es.

Es ist das schwerste Bahnunglück in Bayern seit mehr als 40 Jahren. Gestern traf schweres Gerät, darunter ein Spezialkran, für die Bergung der Zugwracks ein. Die Aufräumarbeiten werden durch die gleichen Umstände erschwert wie die Rettung der Opfer: Die Unglücksstelle liegt in einem Waldstück an einer Hangkante, die steil zu einem Kanal abbricht, und ist nur schwer zu erreichen. Die Bergung der Trümmer wird daher wohl mehrere Tage dauern. Wegen des Unglücks hatten sich die Parteien in Bayern entschieden, auf den Politischen Aschermittwoch zu verzichten, bei dem traditionell mit markigen Worten in Bierzeltatmosphäre der politische Gegner ins Visier genommen wird.

Mehr als 300 Menschen erklärten sich nach dem Zugunglück spontan zu Blutspenden bereit. "Nach der überwältigenden Resonanz der Spender, hat sich die Lage bereits nach einem Tag wieder beruhigt", teilte der Blutspendedienst München auf seiner Homepage mit. Tags zuvor hatte der Dienst wegen der Notlage zu Spenden aufgerufen. "Damit können die Verletzten im betroffenen Unglücksgebiet versorgt werden."

Die Politiker nahmen sich gestern Morgen viel Zeit an der Unfallstelle. Fast eineinhalb Stunden sprachen Seehofer und seine Kollegen hinter verschlossenen Türen zu den Helfern von Feuerwehr, Rotem Kreuz, Bergwacht, Deutscher Lebensrettungsgesellschaft und Polizei. 700 Helfer waren insgesamt im Einsatz. Sie hätten sich die Anerkennung ganz Deutschlands erworben, sagte Seehofer.

(RP)
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