Köln/Madrid Autokinos beschwören die 50er

Köln/Madrid · Nur noch wenige Plätze in Deutschland bieten ein ganzjähriges Programm. Dabei punkten Autokinos mit riesigen Leinwänden und moderner Technik. In Madrid setzen Betreiber jetzt auf Retro-Charme.

Ein Kinobesuch ohne quasselnde und Popcorn futternde Nachbarn, aber dafür mit bequemen Liegesitzen und eigenem Aschenbecher - das geht nur im Autokino. Dessen Karriere konnte also nur in den autoverrückten USA beginnen; 1933 wurde der erste Platz in Camden im Bundesstaat New Jersey eröffnet. Damals hieß das Motto: "Die ganze Familie ist willkommen, egal wie laut die Kinder sind." Das "Autocine Madrid" will nun an diese Tradition anknüpfen und ab Oktober nach mehr als einem halben Jahrhundert in der spanischen Hauptstadt wieder Filme unter freiem Himmel zeigen. Die jungen Unternehmer setzen dabei auf Vintage-Flair, wollen die Atmosphäre der 50er wiederbeleben - und so eine Alternative zu den gängen Multiplexen bieten.

Dabei ist das goldene Zeitalter der Autokinos eigentlich längst vorbei. In den USA sind weniger als 500 geblieben, in Spanien gerade einmal sieben. Auch in Deutschland gibt es nur eine Handvoll Anlagen mit regelmäßigem Programm und rund 1000 Parkplätzen. Sie gehören zur Gruppe Drive In Autokinos mit Standorten in München, Stuttgart, Frankfurt, Köln und Essen. Alle anderen seien temporäre Projekte, meist im ländlichen Raum und nur an Sommer-Wochenenden geöffnet, sagt Walter H. Jann, Geschäftsführer der DWJ GmbH, die die Drive Autokinos betreibt. "Wir spielen dagegen das ganze Jahr über an sechs bis sieben Tagen die Woche."

Alleine vom Filmevorführen könne man heute jedoch nicht überleben, sagt Jann - es kommen rund 40.000 bis 50.000 Besucher im Jahr. "Die Auto- und Trödelmärkte haben die Autokinos gerettet", erklärt der Unternehmer. Vor etlichen Jahren kam die Idee auf, die bis zu 50.000 Quadratmeter großen Flächen tagsüber - die Vorführungen starten erst mit Einbruch der Dunkelheit - anders zu nutzen. Entweder, um Privatleuten zu ermöglichen, ihre Gebrauchtwagen anzubieten oder eben für Flohmärkte. Heute findet beispielsweise in Köln dreimal die Woche ein derartiger Markt statt, in Essen immer samstags. Jann: "Dieser Bereich ist extrem gewachsen."

Vom Filmgeschäft will der Geschäftsführer jedoch nicht lassen. Er habe in die Technik investiert, Bild- und Tonqualität seien auf dem neuesten Stand. Von der Dimension des Bildes nicht zu reden. "Die Leinwände sind mit 540 Quadratmetern doppelt so groß wie in einem normalen Kino", sagt Jann. Der Ton wird übers Autoradio übertragen, bei Bedarf kann man sich einen Heizlüfter ins Wageninnere stellen. Ein wenig Retro-Gefühl gesteht er den Besuchern auch zu - das Kassenhäuschen in Köln etwa sei seit den 60ern unverändert.

Trotz verbesserter Technik konnte sich das Schauen aus dem eigenen Wagen heraus nicht so recht durchsetzen. Für Jann hängt das auch mit dem leichten Schmuddel-Image der Autokinos zusammen. Sie galten früher als Treffpunkt für junge Paare, die sich durchs Blech abgeschirmt anderen Aktivitäten widmeten als dem Geschehen auf der Leinwand.

"Das stimmt alles längst nicht mehr", sagt Jann. "Wir sind ein ganz normales Kino - allerdings mit einem autonärrischen Publikum." Entsprechend sollten die Filme actionhaltig sein und am besten attraktive PS-Boliden zu bieten haben. "Fast & Furious" etwa habe die Kassen gefüllt. Ohne derartige Hollywood-Blockbuster sei es schwierig. Dennoch will der Unternehmer an den Autokinos festhalten - deren Zukunft sei gesichert, sagt er.

Vom Programm her wollen die Betreiber des "Autocine" einen etwas anderen Weg gehen. "Wir haben eine große Marktanalyse durchgeführt und sind zu dem Schluss gekommen, dass der Schlüssel zum Erfolg in der Mischung liegt: Premieren und Klassiker, synchronisierte Filme und Originalversionen", sagt Tamara Istambul, eine der Initiatorinnen. Auf 25.000 Quadratmetern soll das "Autocine Madrid" Platz für 350 Fahrzeuge bieten sowie eine Zone für Sitzplätze und eine weitere für Imbisswagen, die Snacks, Getränke, Hotdogs und Hamburger verkaufen - stilecht amerikanisch eben.

Ob das Konzept aufgeht, wird sich zeigen. Madrids erstes Autokino öffnete 1959 und bot Platz für 800 Autos sowie 700 Motorräder. Bald darauf musste es wieder schließen. Die Behörden fürchteten, dass Dunkelheit und Privatsphäre die Zuschauer zu unmoralischem Verhalten verleiten könnte.

(RP)
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