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Missbrauchsskandal Zollitsch muss dem Papst berichten

Vatikanstadt (RPO). Seit Wochen werden immer neue Missbrauchsfälle in katholischen Einrichtungen in Deutschland bekannt. Heute steht das Thema beim geistlichen Oberhaupt der katholischen Kirche auf der Agenda: Der Papst empfängt den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, der ihn über die Lage hierzulande informieren soll.

Eigentlich sollte es nur ein Routinebesuch sein: Der turnusmäßige Bericht eines Bischofskonferenz-Vorsitzenden über ein nationales Bischofstreffen an Papst und Kurie. Eine Praxis, wie sie auch die Kirchenführer aus den USA, Frankreich oder Spanien pflegen. Freilich gewinnt die Papstaudienz am Freitag für Erzbischof Robert Zollitsch angesichts der Missbrauchsskandale in Deutschland besondere Aufmerksamkeit in Medien, Politik und Kirche. Denn die ständig neu gemeldeten, oft 40 oder mehr Jahre zurückliegenden Fälle von sexuellen wie von gewalttätigen Übergriffen durch Priester haben die deutsche Kirche in eine brisante Lage gebracht und eine Debatte auf unterschiedlichen Rechtsebenen ausgelöst.

Zollitsch trifft in Benedikt XVI. auf einen Gesprächspartner, der schon als Kurienkardinal entschieden und konsequent wie kaum ein anderer gegen Missbrauchsfälle durch Kleriker vorgegangen ist. Als Präfekt der Glaubenskongregation drängte er auf klare Normen im Kampf gegen sexuelle Straftaten von Geistlichen an Minderjährigen. Sein Vorgänger Johannes Paul II. hat daraufhin 2001 in dem Schreiben "De delictis gravioribus" verfügt, dass alle "besonders schweren Straftaten" künftig der obersten römischen Glaubensbehörde als höchster Kirchengerichtsinstanz zu melden seien. Als Kardinalpräfekt hat Ratzinger federführend die amerikanischen Bischöfe begleitet, die vor knapp einem Jahrzehnt in Rom und mit dem Vatikan einen überzeugenden Ausweg aus der verheerenden Skandalserie im US-Klerus suchten. Als Papst hat er dann mit seiner USA-Reise 2008 persönlich Abbitte bei den Opfern dieser verabscheuungswürdigen Übergriffe geleistet.

Bei seinem Besuch in New York wie wenig später in Australien gab Benedikt XVI. einen kirchlichen Drei-Stufen-Plan vor. Er stellte klar, dass ein Pädophiler nicht Priester sein kann, er somit vom Priesteramt auszuschließen sei. Die Taten müssten auf juristischer und politischer Ebene aufgearbeitet werden, den Opfern müsse Gerechtigkeit widerfahren und pastorale Hilfen geleistet werden. Und ganz entscheidend seien effiziente Präventionsmechanismen, die bei der Auswahl der Seminaristen einsetzen und die Begleitung der Seelsorger einschließen müssten. "Ich bin beschämt, und wir werden alles Erdenkliche tun, damit so etwas sich nicht wiederholt", sagte Benedikt XVI. bei seiner USA-Reise.

Diesen Drei-Stufen-Plan brachte Benedikt XVI. Mitte Februar auch gegenüber den irischen Bischöfen ins Gespräch, die von einer ähnlichen Skandalserie wie die USA erschüttert wurden. Auch der Episkopat Irlands hatte sich an den Vatikan gewandt, um mit päpstlicher Autorität einen Ausweg aus der Vertrauens- und Glaubwürdigkeitskrise zu finden.

Es gilt als unwahrscheinlich, dass es jetzt zu einer ähnlichen kooperativen Aufarbeitung von Vatikan und deutscher Kirche kommt. Denn die Deutsche Bischofskonferenz hatte bereits kurz nach der Veröffentlichung der römischen Normen von 2001 und vor dem Hintergrund der US-Skandale eigene Leitlinien zum Vorgehen bei sexuellem Missbrauch Minderjähriger durch Geistliche erlassen. Rechtsexperten im Vatikan bezeichnen diese Normen als gut und sehr weitreichend. Freilich könnte man manche Formulierung noch deutlicher fassen, um angesichts bereits geltender Praxis Missverständnisse zu vermeiden.

Einer der neuralgischen Punkte ist die Frage, ab wann die Kirche die Staatsanwaltschaft über Missbrauchsfälle informiert - eine Frage, zu der das staatliche deutsche Strafrecht bei Kindesmissbrauch bislang keine Vorschriften macht. Ansonsten befand Vatikansprecher Federico Lombardi, dass Bischofskonferenz und Ordensleitungen unverzüglich, entschlossen und mit dem Wunsch nach Transparenz auf die Skandalvorwürfe reagiert hätten. Es würde die Perspektive verfälschen, Anschuldigungen sexuellen Missbrauchs allein auf die Kirche zu konzentrieren, fügte er hinzu.

Zollitsch wird nun dem Papst über den Stand der Dinge berichten. Sicher sind Benedikt XVI. und seine wichtigsten Mitarbeiter bereits weitgehend auf dem Laufenden, auch wenn der Vatikan sich bislang mit einer Bewertung der Vorgänge im deutschen Sprachraum zurückhielt. Natürlich ist die Glaubenskongregation mit der kirchenrechtlichen Seite der "delicta graviora" befasst, mit den Verstößen von Priestern gegen das Bußsakrament und das Keuschheitsgebot. Allerdings unterliegt dieser innerkirchliche Bereich - ganz anders als die strafrechtliche Seite des Missbrauchs - der päpstlichen Geheimhaltung.

Die Bearbeitung aller übrigen Fragen, so ist man im Vatikan überzeugt, liegt bei der Deutschen Bischofskonferenz in guten Händen. Weitere Wort Roms dazu könnten in der emotional aufgeladenen Situationen missverstanden werden, lautete eine der Befürchtungen in der Kurie. So soll etwa eine Gleichsetzung der deutschen Verhältnisse mit den drastischeren Missständen in den USA und Irland vermieden werden.

(KNA)
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